Frankfurt am Main, den 18.03.2015 von Oliver Krautscheid
In der Entscheidung vom 19.2.2013- II ZR 56/12 befasste sich der BGH mit der Frage, ob dass Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage gegen Aufsichtsratswahlen entfällt, wenn die Aufsichtsratsmitglieder ihre Mandate niederlegen.
Jede Klage und so auch die Anfechtungsklage hat das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses als Voraussetzung. Das Rechtsschutzbedürfnis ist regelmäßig gegeben. Es ist ausnahmsweise zu verneinen, wenn der angefochtene Beschluss aufgehoben wurde oder das mit der Klage angestrebte Ziel auf andere Weise erreicht ist.
Laut BGH ist in Bezug auf die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses maßgebend, ob die angestrebte Nichtigkeitserklärung der Wahlbeschlüsse noch eine relevante Änderung der Rechtslage bewirken könnte. Damit geht die praxisrelevante Frage, welche Auswirkungen die erfolgreiche Anfechtung von Aufsichtsratswahlen auf zwischenzeitlich gefasste Aufsichtsratsbeschlüsse hat einher.
Die Antwort darauf ist umstritten.
Eine Auffassung vertritt, dass das nichtig gewählte Aufsichtsratsmitglied, wie ein Dritter zu behandeln ist, mit der Folge, dass dieses sich nicht wirksam an den Beschlüssen beteiligen kann.
Eine andere Auffassung will parallel zu nichtig gewählten Vorstandsmitgliedern, die Lehre vom fehlerhaften Bestellverhältnis anwenden. Dies würde bedeuten, dass das fehlerhaft bestellte Organmitglied, wie ein wirksam bestelltes Organmitglied behandelt wird, wenn es die Bestellung angenommen und das Mandatsverhältnis tatsächlich ausgeübt hat.
Rechtsprechung wendet die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis nur für Pflichten und Haftung der Aufsichtsratsmitglieder an. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs auf die Beschlussfassung lehnt der BGH ausdrücklich ab.
In der Entscheidung trägt der BGH vor, dass die Mandatsbeendigung der Aufsichtsratsmitglieder das Rechtsschutzinteresse für eine gegen den Wahlbeschluss gerichtete Anfechtungsklage entfallen lasse, wenn die Nichtigkeitserklärung keinen Einfluss auf die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft, der Aktionäre sowie der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats mehr haben könne.
Von einer Auswirkung der Nichtigkeitserklärung ist auszugehen, wenn die Mitwirkung des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds für das Zustandekommen eines Aufsichtsratsbeschlusses oder die Beschlussfähigkeit ursächlich war.
Die Gesellschaft ist nach den Grundsätzen der sekundären Beweislast diesbezüglich darlegungspflichtig.
Der BGH geht davon aus, dass die Nichtigkeitserklärung der Wahlbeschlüsse Auswirkungen auf die Wirksamkeit zwischenzeitlich gefasster Aufsichtsratsbeschlüsse haben könnte.
Er führt weiter aus, dass Nichtmitglied nicht nur das nichtig gewählte Aufsichtsratsmitglied sei, sondern auch das Mitglied, dessen Wahl erfolgreich angefochten wurde.
Ab wann Organmitglieder die Nichtigkeit kennen müssen, lässt der BGH offen. Die bloße Kenntnis der Wahlanfechtung soll hierfür nicht ausreichen.
In der Praxis führt die Aufdeckung eines Bestellungsmangels häufig zu einer erneuten Bestellung des zuvor fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglieds.
Zu dem bisher gesagten, macht der BGH eine wichtige praxisrelevante Ausnahme und zwar in Bezug auf die Beschlussvorschläge an die Hauptversammlung. Fehle ein nach § 124 Absatz 3 Satz 1 AktG notwendiger Beschlussvorschlag, so liege ein Verfahrensfehler vor, der zur Anfechtung führen könne, wenn er relevant sei. Der Beschlussvorschlag eines nicht ordnungsgemäß besetzen Organs hat Relevanz. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung, so der BGH, sei ein Aufsichtsrat mit einem anfechtbar gewählten Mitglied aber ordnungsgemäß besetzt, weil der Wahlbeschluss bis zur Nichtigerklärung wirksam sei und erst rückwirkend unwirksam werde.