Frankfurt am Main, den 16.05.2015 von Oliver Krautscheid
Am 5.11.2013 hat der BGH eine Grundlagenentscheidung zu § 131 AktG (II ZB 28/12) gefällt, indem er das Auskunftsrecht auf Informationen beschränkt, die für die Beurteilung von Tagesordnungspunkten erforderlich sind. Damit sollte dem exzessiven Gebrauch eines der wichtigsten Aktionärsrechte in der Hauptversammlungspraxis Einhalt geboten werden. Infolge der negativen Folgen, welche ein unbeschränkter Auskunftsanspruch mit sich zog, war diese Begrenzung auch erforderlich. Der Aufwand für das Back- Office war erheblich ebenso wie die Anfechtungsrisiken wegen nicht vollständiger oder richtiger Antworten. Da auch die Hauptversammlung selbst durch exzessives Fragen unangemessen in die Länge gezogen wurde, war die Begrenzung schlussendlich im Interesse aller Beteiligten. Nach der Entscheidung erhoben einige Stimmen zwar den Einwand, dass diese Beschränkung mit Art. 9 Absatz 1 der Aktionärsrichtlinie nicht vereinbar sei, allerdings erteilt der BGH dieser Argumentation eine Abfuhr. Die Beschränkung liegt im von der Aktionärsrichtlinie eröffneten Spielraum, zudem ist sie geeignet und erforderlich um das Ziel der Richtlinie, Aktionärsrechte zu stärken, zu erreichen.
Infolgedessen können auch in einem Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG nur die Erteilung von für die Beurteilung von Tagesordnungspunkten erforderlichen Informationen durchgesetzt werden.
Mitwirkungspflicht der Aktionäre
Die Entscheidung zieht klagewilligen Aktionären, welche routinemäßig ihre Frage so pauschal stellen und sie damit eine Anfechtungsklage provozieren könne, weil die Fragen nicht hinreichend oder gar nicht beantwortet wird, eine Grenze. Der BGH nimmt sogar eine Mitwirkungsobliegenheit der Aktionäre an, um missbräuchliches Verhalten Einhalt zu gebieten. Wenn es dem fragenden Aktionär wirklich um die Information geht und nicht um die Provokation von Fehlern, so wird er konkret nachfragen und der Vorstand kann erkennen, welche Information noch gewünscht wird. Wenn am Ende der Hauptversammlung der Vorstand oder der Versammlungsleiter zu verstehen geben, dass aus ihrer Sicht alle Fragen beantwortet sind, spätestens aber auf Nachfrage, ob noch Fragen unbeantwortet geblieben sind, ist es dem Aktionär zumutbar, eine konkrete und deutliche Nachfrage zu stellen. Tut er dies nicht, ist es treuwidrig im Nachhinein Anfechtungsklage zu erheben.
Gremienvertraulichkeit
Klar ist das Aktionäre oft ein Interesse daran haben, zu erfahren, auf welcher Grundlage und mit welcher Mehrheit eine Entscheidung getroffen wurde. Dieses berechtigte Interesse steht jedoch im Spannungsverhältnis zum schützenswerten Interesse einer gewissen Gremienvertraulichkeit. Nur wenn eine gewisse Vertraulichkeit in den Aufsichtsratssitzungen gewahrt ist, kann es zu einer offenen und somit effektiven Diskussion kommen. Der BGH vertritt, dass ein Auskunftsverweigerungsrecht für den Inhalt der Diskussion im Aufsichtsrat sowie für das Abstimmungsverhalten der Einzelnen Mitglieder besteht.
Frankfurt am Main, den 18.03.2015 von Oliver Krautscheid
In der Entscheidung vom 19.2.2013- II ZR 56/12 befasste sich der BGH mit der Frage, ob dass Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage gegen Aufsichtsratswahlen entfällt, wenn die Aufsichtsratsmitglieder ihre Mandate niederlegen.
Jede Klage und so auch die Anfechtungsklage hat das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses als Voraussetzung. Das Rechtsschutzbedürfnis ist regelmäßig gegeben. Es ist ausnahmsweise zu verneinen, wenn der angefochtene Beschluss aufgehoben wurde oder das mit der Klage angestrebte Ziel auf andere Weise erreicht ist.
Laut BGH ist in Bezug auf die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses maßgebend, ob die angestrebte Nichtigkeitserklärung der Wahlbeschlüsse noch eine relevante Änderung der Rechtslage bewirken könnte. Damit geht die praxisrelevante Frage, welche Auswirkungen die erfolgreiche Anfechtung von Aufsichtsratswahlen auf zwischenzeitlich gefasste Aufsichtsratsbeschlüsse hat einher.
Die Antwort darauf ist umstritten.
Eine Auffassung vertritt, dass das nichtig gewählte Aufsichtsratsmitglied, wie ein Dritter zu behandeln ist, mit der Folge, dass dieses sich nicht wirksam an den Beschlüssen beteiligen kann.
Eine andere Auffassung will parallel zu nichtig gewählten Vorstandsmitgliedern, die Lehre vom fehlerhaften Bestellverhältnis anwenden. Dies würde bedeuten, dass das fehlerhaft bestellte Organmitglied, wie ein wirksam bestelltes Organmitglied behandelt wird, wenn es die Bestellung angenommen und das Mandatsverhältnis tatsächlich ausgeübt hat.
Rechtsprechung wendet die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis nur für Pflichten und Haftung der Aufsichtsratsmitglieder an. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs auf die Beschlussfassung lehnt der BGH ausdrücklich ab.
In der Entscheidung trägt der BGH vor, dass die Mandatsbeendigung der Aufsichtsratsmitglieder das Rechtsschutzinteresse für eine gegen den Wahlbeschluss gerichtete Anfechtungsklage entfallen lasse, wenn die Nichtigkeitserklärung keinen Einfluss auf die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft, der Aktionäre sowie der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats mehr haben könne.
Von einer Auswirkung der Nichtigkeitserklärung ist auszugehen, wenn die Mitwirkung des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds für das Zustandekommen eines Aufsichtsratsbeschlusses oder die Beschlussfähigkeit ursächlich war.
Die Gesellschaft ist nach den Grundsätzen der sekundären Beweislast diesbezüglich darlegungspflichtig.
Der BGH geht davon aus, dass die Nichtigkeitserklärung der Wahlbeschlüsse Auswirkungen auf die Wirksamkeit zwischenzeitlich gefasster Aufsichtsratsbeschlüsse haben könnte.
Er führt weiter aus, dass Nichtmitglied nicht nur das nichtig gewählte Aufsichtsratsmitglied sei, sondern auch das Mitglied, dessen Wahl erfolgreich angefochten wurde.
Ab wann Organmitglieder die Nichtigkeit kennen müssen, lässt der BGH offen. Die bloße Kenntnis der Wahlanfechtung soll hierfür nicht ausreichen.
In der Praxis führt die Aufdeckung eines Bestellungsmangels häufig zu einer erneuten Bestellung des zuvor fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglieds.
Zu dem bisher gesagten, macht der BGH eine wichtige praxisrelevante Ausnahme und zwar in Bezug auf die Beschlussvorschläge an die Hauptversammlung. Fehle ein nach § 124 Absatz 3 Satz 1 AktG notwendiger Beschlussvorschlag, so liege ein Verfahrensfehler vor, der zur Anfechtung führen könne, wenn er relevant sei. Der Beschlussvorschlag eines nicht ordnungsgemäß besetzen Organs hat Relevanz. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung, so der BGH, sei ein Aufsichtsrat mit einem anfechtbar gewählten Mitglied aber ordnungsgemäß besetzt, weil der Wahlbeschluss bis zur Nichtigerklärung wirksam sei und erst rückwirkend unwirksam werde.
Frankfurt am Main, den 20.09.2014 von Oliver Krautscheid
Es gibt nicht den einen Ablaufplan für die Vorbereitung einer Hauptversammlung für alle Unternehmen. Die Vorbereitungen können von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich sein. Ein Fokus bei der Betrachtung des Ablaufes kann eine Vielzahl von Optimierungsüberlegungen und auch die Integration und Standardisierung der Prozesse sein. Folgender Beitrag und dessen statistische Angaben basieren auf einer Studie zur Durchführung von Hauptversammlungen, welche von PricewaterhouseCoopers Ende 2012 durchgeführt wurde.
Vorbereitung
Die Vorbereitung zur Hauptversammlung umfasst alle Schritte des Ablaufs. 90 % der Unternehmen beschäftigen sich mehr als einen Monat vor dem Versammlungstermin intensiv mit dem Vorbereitungsprozess, wobei frühzeitig verschiedenen Interessensgruppen in die Planung miteinbezogen werden. Damit soll schon im Vorfeld der Hauptversammlung ein breites Spektrum an Fragen vorbereitet werden. Die größte Gruppe bei der Einbeziehung stellen die Aktionärsvertreter mit ca. 71 % dar, danach folgen Großaktionäre mit 24 % und Analysten noch mit 13%. Auch durch die Bildung von Arbeitsgruppen kann eine Vorbereitung strukturiert und effizient aufgebaut werden.
Viele Unternehmen bewerten eine verlängerte Intensivvorbereitung bei gleichzeitiger Verkürzung der gesamten Vorbereitungszeit als anstrebsam. Optimierungsmöglichkeiten zur Erreichung dieses Zieles können in der unterjährigen Erfassung von Fragen liegen. Weiteres Verbesserungspotenzial liegt in der Standardisierung des Vorbereitungsprozesses.
Viele Unternehmen bedienen sich zur Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs der Hauptversammlung externer Dienstleister.
Ablauf der Hauptversammlung
Für Fragen, die auf der Hauptversammlung gestellt werden gilt, diese richtig aufzunehmen, zu erfassen und korrekt rechtlich und fachlich zu beantworten. Überwiegend erfolgt die Aufnahme durch eine Stenografen oder von Mitarbeitern der Public Relation/ Investor Relation Abteilung. Die Anzahl der Fragen variieren zwischen den Unternehmen deutlich. Für die Gewährleistung einer korrekten und zügigen Beantwortung der Fragen, ist ein umfangreich personell besetztes Backoffice erforderlich. Während die überwiegenden Unternehmen ihr Backoffice mit 5 – 20 Mitarbeitern besetzen, benötigen 79% der DAX Unternehmen mehr wie 30 Mitarbeiter. Bei der Besetzung werden verschiedene Bereiche abgedeckt, wobei Schwerpunkte bei den Mitarbeitern der Fachabteilungen, aber auch Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfern liegen. Die Beantwortung der Fragen ist in diesem Umfeld in fachlicher und rechtlicher Qualität in einer Mindestzeit zu erstellen. Die Mehrzahl an Unternehmen benötigt weniger als 5 Minuten. Ein Zeitraum von mehr als zehn Minuten ist eine seltene Ausnahme. Für die Beantwortung der Fragen benutzt das Backoffice verschiedene Informationsquellen: Verträge, WP- Berichte vergangener Jahre, Ad-Hoc Meldungen, Pressemitteilungen, Zwischenberichte, Jahres- und Konzernabschlüsse vergangener Geschäftsjahre oder sonstige Unterlagen und Hintergrundinformationen.
Die Kosten für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbearbeitung der Hauptversammlung lassen sich schwer messen. Bezieht man sich allerdings nur auf externe Kosten, so liegen diese bei DAX- Unternehmen bei über 30.000 €. Demgegenüber übersteigen in 50 % der Fälle bei TEC-Dax oder sonstigen Unternehmen die externen Kosten nicht 10.000 €.
Nachbereitung der Hauptversammlung
Die Nachbereitung umfasst die Auswertungen und Aufbereitungen des Abstimmungsergebnisse und eventuell die Bearbeitung von marketingmaßnahmen wie Hauptversammlungsvideos. Eine Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Hauptversammlungsprozess, kann Aufschluss über Optimierungsmöglichkeiten für künftige Versammlungen geben.
Frankfurt am Main, den 31.05.2014 von Oliver Krautscheid
Eine turbulente Hauptversammlung kann durch interne wie externe Umstände hervorgerufen werden. Denkbar sind Störungen wie unbefugtes Eindringen, Bombendrohungen, Lärm, Zwischenrufe und Tätlichkeiten.
Bei den Maßnahmen entgegen den Störungen ist jeweils die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das heißt zunächst ist das mildeste Mittel, wie zum Beispiel ein Aufmerksammachen auf die Störung vorzunehmen, weiter hat eine Ermahnung zu folgen, danach eine weitere Ermahnung mit der Androhung von Konsequenzen steigert bis hin zum Ausschluss aus der Hauptversammlung. Die Intensität der Maßnahme steigt folglich mit dem Eskalationsgrad.
Interne Störungen
Tritt eine Störung durch Zwischenrufe oder Überschreitung der Redezeit bzw. Lärm auf, sollte der Vorsitzende zunächst um Unterlassung bitten. Bei erneuter Störung oder Fortsetzung der Gleichen sollte die Bitte wiederholt und Konsequenzen, wie ein Verweis aus dem Versammlungsbereich angekündigt werden. Wenn dann immer noch die Störung fortgesetzt wird erfolgt der Verweis mit Hinweis, dass der Störer sich trotz Verweises mittels einer Vollmacht vertreten lassen kann, um sein Stimmrecht auszuüben. Des Weiteren er sich aber wegen Hausfriedensbruch strafbar macht, wenn er dem Verweis nicht folge leistet. Bei Weigerung kann der Verweis notfalls auch durch den Saalordner durchgeführt werden.
Sollte eine Unterbrechung der Hauptversammlung erfolgen ist daran zu denken, dass die Teilnehmer ihre Stimmkartenbögen mitzunehmen haben, denn die Präsenz hat erneut festgestellt zu werden.
Lässt sich eine physische Störung nicht Vorort beseitigen, so ist eine Verlegung des Versammlungsortes vorzunehmen.
Rederecht, Fragerecht
Wie bereits erwähn stellt auch die Redezeitüberschreitung eines Redners eine Störung dar. Der Vorsitzende sollte den Redner darauf aufmerksam machen und seine Rede in 5- 10 Minuten beenden lassen. Wird die Rede in der zugestandenen Zeit nicht beendet, so darf der Vorsitzende dem Redner das Rederecht entziehen. Weigert sich der Redner nach der Entziehung an seinen Platz zurück zu kehren, so erfolgt eine Androhung ihn vom Rednerpult geleiten zu lassen und notfalls bei weiterer Störung der Verweis von der Versammlung. Bezüglich dem daraus folgenden Hinweis und die Anmerkung an die Teilnehmer im Falle einer Unterbrechung sei auf die oben genannten Ausführungen hingewiesen.
Eine generelle Beschränkung der Rede- oder Fragezeit ist nur bei Ermächtigung in der Satzung möglich. Bei Anträgen eines Aktionärs auf Redezeitbeschränkung, Schließung der Rednerliste bzw. der Debatte sei angemerkt, dass diese Entscheidungen allein dem Versammlungsleiter obliegen.
Externe Störungen
Bei Bombendrohungen empfiehlt sich die Situation ernst zu nehmen und um die Gefahr für die Versammlungsteilnehmer zu gewährleisten, eine Unterbrechung zu veranlassen.
Im Falle sogenannter „schädigender Ereignisse“ wie zum Beispiel Rettungsmaßnahmen oder Ermittlungen von Behörden empfehlen sich ebenfalls eine Unterbrechung der Hauptversammlung und eine Fortsetzung nach Wegfall der Störung.
Auch besteht die Möglichkeit die Hauptversammlung zu stören, indem ein Aktionär Anträge, wie zum Beispiel einen Antrag auf Verschiebung der Hauptversammlung wegen zu hoher Temperaturen stellt. In diesem Fall kann der Vorsitzende als Leiter der Hauptversammlung entscheiden, ob darüber abgestimmt werden soll oder der Antrag abgewiesen wird.
Vorkehrungen
Vorkehrungen sind wegen der breiten Möglichkeit an Störungen schwer zu treffen. Der Schwerpunkt der Vorbereitungen auf Störungen sollte deshalb im organisatorischen Bereich liegen, sodass durch Sicherheitsmechanismen ein ordentlicher Versammlungsablauf gewährleistet werden kann. Dazu sind in jedem Fall Saaldiener erforderlich. Diese können als äußerstes Mittel die Störung, mit der Durchsetzung des Hausverbotes bewältigen und bei Bombendrohungen Evakuierungen einleiten.
Möglich ist jedenfalls auch zur Hauptversammlung auf zwei Tage einzuladen, um im Falle das Störungen über den Tag hinaus dauern, die Unwirksamkeit von […] zu verhindern.