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Tag Archives: Legalitätspflicht

Compliance Verantwortung von Geschäftsleitern mit Blick auf das Urteil Siemens/ Neubürger  

Frankfurt am Main, den 13.09.2014 von Oliver Krautscheid


Anknüpfend an das Urteil Siemens/ Neubürger des LG München I (10.12.2013 – 5 HK O 1387/10) und im Ausblick auf die Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages, resultiert die Diskussion über die Konturierung der Compliance Verantwortung von Geschäftsleitern. Dieser Beitrag befasst sich mit einem Teilaspekt dieser Diskussion, namentlich der Compliance Verortung zwischen Legalität und Ermessen.

Dem Urteil zugrundeliegend wurde ein Vorstandsmitglied unter anderem zum Ersatz der Kosten einer durch externe Berater durchgeführten Sachverhaltsaufklärung i.H.v. ca 12,85 Mio € verurteilt. Die Verurteilung basierte auf einem ineffektivem Compliance System, welches mittels der Bildung von „schwarzen Kassen“ und Scheinberaterverträgen in grenzüberschreitende Schmiergeldzahlungen mündete. Dem Urteil werden eine Vielzahl von Thesen entgegnet, die zahlreiche dogmatische Schwächen und problematische Folgewirkungen aufzeigen.

Kritisiert wird, dass die Compliance- Verantwortung pauschal bei der Legalitätspflicht und nicht im Bereich des unternehmerischen Ermessens verortet wird. Problematisch ist, dass so eine Einordnung den prognostischen Charakter der Gestaltung eines Compliance Systems nicht berücksichtigt. Viel mehr wird aus der ex-post Betrachtung eine Rückschau vorgenommen, um zu bewerten ob das Compliance System effektiv ausgestaltet war. Die zwei Kernaufgaben des Vorstandes die aus der Leitungsverantwortung resultieren ist eine systembezogene und eine anlassbezogene Pflicht. Die systembezogene ist darauf gerichtet präventiv ein Compliance System zu errichten und fortlaufend zu überprüfen. Die anlassbezogene Pflicht ist repressiv, also darauf gerichtet non-Compliance Fälle aufzuklären, zu ahnden und Maßnahmen zu ergreifen, die eine zukünftige Wiederholung unterbinden.

Die dem Urteil kritisch gegenüberstehende Auffassung will die system- und anlassbezogenen Pflichten nicht pauschal dem Legalitätsprinzip zuordnen, sondern vielmehr zwischen dem „ob“ und „wie“ der Compliance- Maßnahmen differenzieren. Bei der Frage nach dem „ob“ der Errichtung, ist ein Proportionalitätsgrundsatz zu beachten. Deshalb ist die Erforderlichkeit eines Compliance Systems, nach Art und Größe des Unternehmens, seiner Risikoposition und möglichen Verdachtsfällen aus der Vergangenheit zu bemessen. Die Pflicht zur Errichtung einer solchen Struktur entsteht dann, wenn die Vorstandsmitglieder im Unternehmen nur noch durch eine solche Struktur  legales Verhalten sicherstellen können. Das „Ob“ ist der Legalitätspflicht zuzuordnen und steht nicht im unternehmerischen Ermessen.

Demgegenüber stellt das „wie“ der Ausgestaltung des Compliance Systems eine prognostische Entscheidung dar. Es kommt darauf an, auf der Grundlage angemessener Informationen eine vertretbare Entscheidung zu treffen (Business Judgement Rule). Diese Ausgestaltungsentscheidung unterscheidet sich mithin strukturell nicht von anderen unternehmerischen Entscheidungen und ist daher nicht dem unternehmerischen Ermessen entzogen.

Die Vorliegen eines Compliance Verstoßes kann es jedoch kein Ermessen geben. Dies ist korrekterweise der Legalitätspflicht zuzuordnen. Allerdings gilt dies nicht für die Entscheidung über die Auswahl der Mittel zur Aufklärung und Ahndung des Sachverhalts. Hier bleibt ein Auswahlermessen bestehen.

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Oliver Krautscheid
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