Frankfurt am Main, den 04.04.2015 von Oliver Krautscheid
Das Aktiengesetz und der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) enthalten Regelungen zur Verhinderung und zum Umgang mit Interessenkonflikten. Der DCGK enthält für börsennotierte Aktiengesellschaften Empfehlungen zum organinternen Umgang mit Interessenkonflikten. Das Aktiengesetz regelt mit zahlreichen Einzelnormen einen typisierten Umgang mit Interessenskonflikten, wobei Konflikte grundsätzlich zum Wohle des Unternehmens gelöst werden. Darunter ist das Wettbewerbsverbot (§ 88 AktG), die Inkompabilitätsregeln des §§ 100 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr.3, 105 AktG und der Stimmrechtsausschluss nach § 136 AktG. Aufgrund der Treuebindung der Organe gegenüber der Gesellschaft sind Vorstand und Aufsichtsrat beim Umgang mit Interessenskonflikten grundsätzlich verpflichtet im Unternehmensinteresse zu handeln. Dies gilt für alle Mitglieder.
Maßstab ist dabei, das Handeln eines Aufsichtsrats- oder Geschäftsführungsorgans, das nicht mit eigenen Mitteln wirtschaftet, sondern wie ein treuhänderischer Verwalter fremden Vermögensinteressen verpflichtet ist. Die Treuepflicht verlangt das Vorliegen von Interessenskonflikten zu erkennen und diese zugunsten der Gesellschaft aufzulösen. Auch Aktionäre haben eine Treuepflicht, allerdings ist diese anders ausgestaltet als die von Aufsichtsrat und Vorstand.
Begriff und Voraussetzungen
Interessenkonflikte können in unterschiedlichen Erscheinungsformen und mit unterschiedlicher Intensitätsstufe vorliegen. Der DCGK enthält, obwohl er zahlreiche Vorgaben zum Umgang mit Interessenkonflikten aufweist, keine Vorgaben zum Begriff des Interessenkonflikts. In Ziffer 5.5.1 Satz 2 DCGK wird empfohlen, dass Interessenskonflikte gegenüber dem Aufsichtsrat offenzulegen sind, die auf Grund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Dritten entstehen können.
Voraussetzung für das Bestehen eines Interessenskonflikts ist neben der Organbeziehung, das Bestehen einer weiteren direkten oder indirekten Interessensbeziehung zwischen Organmitglied und Gesellschaft.
Anders als bei der Unabhängigkeit muss für einen relevanten Interessenkonflikt eine konkrete Kollision bestehender Interessen vorliegen. Potentielle Interessenskonflikte reichen nicht aus.
Weiter muss für das Vorliegen eines Interessenkonflikts, das Organmitglied im Rahmen seiner Tätigkeit, dem Unternehmensinteresse gegenläufige (Eigen- oder Dritt-)Interessen verfolgen, die im Einzelfall aufgrund Dauer und Intensität eine Gefährdung oder Beeinträchtigung des Unternehmensinteresses befürchten lassen.
Verhältnis zur Unabhängigkeit
Die Vermeidung von Interessenskonflikten sowie die Gewährleistung von Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern wird als zentrale Voraussetzung effizienter Überwachung erachtet. Seit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz im Jahr 2009 ist gemäß § 100 Absatz 5 AktG in kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften Voraussetzung, dass mindestens ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrates über den Sachverstand auf den Gebieten der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügt. Wird ein Prüfungsausschuss nach § 107 Absatz 4 eingerichtet muss dieser diese Voraussetzung ebenfalls erfüllen. Zu dem Begriff der Unabhängigkeit ist im Aktiengesetz nichts zu finden. Der DCGK definiert seit dem Jahr 2012 in Ziffer 5.4.2. Satz 2, dass ein Aufsichtsratsmitglied insbesondere dann nicht als unabhängig anzusehen ist, wenn es in einer persönlichen oder einer geschäftlichen Beziehung zu der Gesellschaft, deren Organen, einem kontrollierenden Aktionär oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen steht, die einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt begründen kann. Mit dieser Definition hat der DCGK sich weitgehend, der Empfehlung der EU- Kommission aus dem Jahr 2005 angeschlossen. Dies geschah entgegen einer Vielzahl von Stimmen, da nun die Beziehung zum kontrollierenden Aktionär die Unabhängigkeit ausschließen sollte. Zentrales Gegenargument gegen diese Auffassung ist, dass diese Einordnung dem deutschen Konzernrecht widerspricht. Die Unabhängigkeitsdefinition erfasst bereits potentielle Interessenkonflikte. Damit kann die Unabhängigkeit schon dann entfallen, wenn ein Interessenskonflikt noch gar nicht vorliegt.
Umgang mit Interessenkonflikten
Die Pflicht Interessenskonflikte zugunsten der Gesellschaft aufzulösen, liegt in der Gesamtverantwortung des Aufsichtsrats. Dies wirft die Frage auf, wie ein Aufsichtsratsmitglied dieser Gesamtverantwortung nachkommen kann, wenn es aufgrund von Interessenkonflikten an der Entscheidungsfindung ggfs. Nicht oder nur eingeschränkt teilnehmen kann. Die Kollision der Gesamtverantwortung mit dem Interesse einer zumindest eingeschränkten Beteiligung der Betroffenen wird dahingehend gelöst, das zunächst ein Sitzungs- und Stimmrechtsausschluss möglich ist. Wird dem Interessenkonflikt dadurch nicht genüge getan muss eine Mandatsbeendigung erfolgen.
Folgen einer unterbliebenen Offenlegung
Unterlässt ein Mitglied des Aufsichtsrats die Offenlegung eines Interessenkonflikts, so ist eine Treuepflichtverletzung, aus welcher im Einzelfall eine Organhaftung resultieren kann. Die Treuepflichtverletzung kann ebenfalls Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der Business Judgement Rule haben. Sofern einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats keine Kenntnis hatten, bleibt ihnen das Haftungsprivileg des Business Judgement Rule erhalten.
Der Verstoß gegen ein Stimmverbot nach § 34 BGB oder das Verbot des Richtens in eigener Sache bei Vorliegen eines Interessenkonflikts führt zudem zur Nichtigkeit der Stimmabgabe. Für den Beschluss hat dies jedenfalls dann Auswirkungen, wenn die betroffene Stimmabgabe eine Relevanz für das Stimmergebnis hat.
Wenn von der nicht ordnungsgemäßen Offenlegung in der Entsprechungserklärung nicht ordnungsgemäß berichtet wird, stellt dies ein Verstoß gegen § 161 AktG dar und führt zur Anfechtbarkeit der gefasster Entlastungsbeschlüsse.
Frankfurt, den 05.07.2014 von Oliver Krautscheid
Das Gesetz legaldefiniert Übernahmeangebote in § 29 Absatz 1 WpÜG als Angebote, die auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet sind. Mit dem Erreichen von 30 % an der Zielgesellschaft wird die Kontrolle erreicht, § 29 Absatz 2 WpÜG. Wird diese Kontrollschwelle auf anderem Wege als über ein freiwilliges Übernahmeangebot erreicht oder überschritten, ist der Bieter gemäß § 35 Absatz 2 WpÜG zur Abgabe eines Pflichtangebotes verpflichtet.
Bei der Vorbereitung von Übernahmen hat die Wahrung strikter Vertraulichkeit eine besonders wichtige Bedeutung. Bei Bruch ist der Finanzinvestor Unwägbarkeiten beim Kaufpreis wegen des üblicherweise höheren Anteils an Fremdkapital ausgesetzt. Diese Unwägbarkeiten resultieren aus den Spekulationen über eine Übernahmeprämie, die nach Bekanntwerden des Kaufinteresses stattfinden und so zur Steigerung des Börsenkurses und auch des gesetzlichen Mindestpreises beitragen. Um dieses Risiko abzuwenden, empfiehlt sich eine strikte Vertraulichkeitsvereinbarung mit der Zielgesellschaft und den an der Transaktion beteiligten Aktionären zu schließen.
Eine Möglichkeit zur Sicherung des Vertrauensverhältnisses ist der Abschluss einer Exklusivvereinbarung mit dem Zielunternehmen. In Betracht kommen verschiedene Formen. Denkbar wäre eine „no talk provision“, sprich ein Verbot jeder Form von Gesprächen mit anderen Interessenten oder einer „no shop provision“, dem Verbot der aktiven Suche nach anderen Interessenten bzw. der Abgabe von Konkurrenzangeboten. Aber auch die Vereinbarung eines „Break up Fee“ oder einer Kostenbeteiligung im Falle eines Abbruchs der Gespräche.
Entsprechende Vereinbarungen werden typischerweise vor Mitteilung nach § 10 WpÜG getroffen. Regelmäßig dürfte von diesen Möglichkeiten nur eine temporäre „no shop“-Klausel zulässig sein. Bei der Entscheidung des Vorstandes ist dieser nach den allgemein geltenden aktienrechtlichen Grundsätzen an das Unternehmensinteresse gebunden. Ist die Übernahme durch einen Finanzinvestor besonders vorteilhaft und lässt eine deutliche Steigerung des Unternehmenswertes erwarten oder ist die Gesellschaft auf die finanziellen Ressourcen angewiesen, dürfte eine solche Vereinbarung im Unternehmensinteresse liegen und ist daher zulässig. Dagegen wäre eine „no- talk“ Klausel schon nicht mit der Pflicht des Vorstandes vereinbar, seine Entscheidungen auf einer hinreichenden Informationsgrundlage zu treffen und daher unzulässig. Eine „break up fee“ oder eine Kostenbeteiligung wäre lediglich bei niedrigen Beträgen denkbar, da sonst Verstöße gegen § 71 a Absatz 1 AktG sowie § 57 Absatz 1 AktG drohen.
In vielen Fällen dürfte die Strukturierung der Transaktion über ein freiwilliges Übernahmeangebot attraktiver als über ein Pflichtangebot sein.
Als Vorteile des freiwilligen Übernahmeangebotes sind zu nennen, dass diese Angebote unter objektive Bedingungen zu stellen sind und der Angebotspreis eingefroren wird. Mögliche objektive Bedingungen sind die Festlegung einer Mindestannahmequote sowie eine hinreichend klar definierte und objektiv feststellbare MAC-Klausel. Nicht zulässig ist ein Angebot unter subjektive Bedingungen, deren Eintritt allein vom Bieter herbeigeführt werden kann, wie zum Beispiel ein Angebot unter dem Vorbehalt der Zustimmung eines Gremiums auf Seiten des Private-Equity Investors. Auch ein sogenannter Finanzierungsvorbehalt, also ein Angebot unter der Bedingung, dass die Finanzierung gelingt („financing out“) ist problematisch, da es allein in der Verantwortung des Bieters liegt, bereits bei Veröffentlichung der Angebotsunterlagen sicherzustellen, dass ihm die zur Angebotserfüllung erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, § 13 WpÜG. Die Sicherstellung der Finanzierung darf daher nicht auf die Aktionäre abgewälzt werden. Ein Finanzierungsvorbehalt ist daher in der Regel eine unzulässige subjektive Bedingung. Damit kann auch festgehalten werden, dass mit der Veröffentlichung der Übernahmeabsicht ein einseitiger Rückzug des Bieters von seinem Angebot weitestgehend ausgeschlossen ist. Ausnahmsweise wird dem Bieter eine Ausstiegsmöglichkeit bei einem atypischen Geschehensverlauf der zum Fortfall der Finanzierung führt, eröffnet.
Innerhalb der gesamten Bieterstruktur ist darauf zu achten, dass keine Aktien an der Zielgesellschaft gekauft werden, ohne dass der Finanzinvestor davon erfährt bzw. dies kontrollieren kann, da die jeweilige Gegenleistung die Untergrenze des gesetzlichen Mindestkaufpreises bildet.
Die Durchführung eines Leverage Buy-out (LBO) zielt darauf ab, dass die Mittel zur Ablösung der Finanzierung und damit letztlich für den Erwerb der Zielgesellschaft aus deren Cashflow aufgebracht werden. Aus übernahmerechtlicher Sicht wird teilweise vertreten, dass dieser mit dem LBO verbundene Rückgriff auf die Mittel der Zielgesellschaft nicht mit § 13 WpÜG vereinbar ist, da seine Zulässigkeit mit rechtlichen Unwägbarkeiten verbunden sei. Dies wird jedoch abgelehnt und vertreten, dass es nach Prüfung im Einzelfall trotz aktienrechtlicher Vorgaben möglich sein kann, wenn ein Rückgriff ermöglicht wird. Das kann zum Beispiel über den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages geschehen.
Die Angebotsunterlagen selbst müssen die zur Sicherstellung der Finanzierung ergriffenen Maßnahmen enthalten, § 11 Absatz 2 Satz 3 Nr.1 WpÜG. Auch die Absichten des Bieters hinsichtlich der Verwendung des Vermögens der Zielgesellschaft und ihrer künftigen Verpflichtungen sind darzulegen, § 11 Absatz 2 Satz 3 Nr.2 WpÜG.
Für den Finanzinvestor kann eine Managementbeteiligung des Vorstandes des Zielunternehmens, über die reguläre Vergütung hinaus interessant sein, indem er diese an das Unternehmen bindet und zu einer Steigerung des Unternehmens motiviert. In Zuge dessen ist der Zeitpunkt des in Aussicht maßgeblich und danach zu differenzieren. Wird eine Managementbeteiligungen nach Vollzug des Angebotes in Aussicht gestellt, gelten die allgemeinen aktienrechtlichen Voraussetzungen an Vergütungsleistungen Dritter. Es darf folglich kein Anreiz zu einem den Gesellschaftsinteressen zuwiderlaufenden Verhalten geschaffen werden. Vor Vollzug des Angebots ist § 33d WpÜG zu beachten. Danach ist es dem Bieter und den mit ihm gemeinsam handelnden Personen verboten, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit dem Angebot, ungerechtfertigte Geldleistungen oder andere ungerechtfertigte geldwerte Vorteile zu gewähren oder in Aussicht zu stellen.