Frankfurt am Main, den 28.06.2014 von Oliver Krautscheid
Der Börsengang eines mittelständischen Unternehmens (sog. Listing) kann unterschiedliche Motive aufweisen. Denkbar wäre, dass nach erfolgreicher Etablierung des Geschäftsmodells, für ein stärkeres Wachstum weitere finanzielle Mittel erforderlich sind. Eine Finanzierung durch Fremdkapital könnte zu diesem Zeitpunkt noch ungünstig sein, so dass die Finanzierung des Wachstums durch die Ausgabe von Aktien attraktiv erscheint. Darüber hinaus kann durch einen Börsengang die Bekanntheit des Unternehmens gesteigert werden.
In der Sphäre der Börsennotierung unterliegt das Unternehmen aber auch einem Sonderrecht, in aktien- als auch aufsichtsrechtlicher Hinsicht. So sind die Unternehmen zur Einhaltung der Vorgaben und Formalitäten verpflichtet, welche einen nicht unerheblichen Aufwand mit sich ziehen. Darunter fällt u.a. der Konzern- und Halbjahresabschluss nach IFRS, gefolgt von einem nicht geringen Compliance-Aufwand zum Einhalten der Zulassungsfolgepflichten. Auch zu nennen ist, dass bei börsennotierten Unternehmen restriktive Anforderungen an die Vorstandsvergütung bestehen und dass Schadensersatzansprüche gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder erst nach zehn statt fünf Jahren verjähren.
Für einen Börsenrückzug (sog. Delisting) können ebenfalls verschiedene Motive in Betracht kommen. Wenn die Aktie einen zu geringen Streubesitz aufweist und sowieso kein aktiver Handel mehr stattfindet, kann ein Listing nicht nur sinnlos, sondern auch belastend sein. Auch in Restrukturierungssituationen binden gerade die umfangreichen Zulassungsfolgepflichten Managementkapazitäten und erschweren oft den wünschenswerten Einstieg eines neuen Großaktionärs nach einem Kapitalschnitt. So könnte insgesamt durch ein Delisting auch die Übernahme seitens eines anderen Hauptaktionärs erleichtert werden. Zudem sind in diesem Zeitpunkt neue Aktien nicht plazierbar, da der Ausgabepreis unter dem aktienrechtlichen Mindestausgabepreis von 1 € läge. Ferner wird es bei vielen mittelständischen Unternehmen so sein, dass sie nach erfolgreichem Aufbau ihres Geschäfts keine zusätzlichen Eigenkapitalmittel benötigen und eine Fremdfinanzierung durch Bankdarlehen oder Anleihen nunmehr attraktiver und günstiger ist. Auch die durch ein Listing ersparten Kosten, können in das Wachstum des Geschäfts investiert werden.
Der Vollzug des Delistings unterliegt den gesetzlichen Regelungen des Börsengesetzes und der jeweils geltenden Börsenordnung. Mit Berücksichtigung des Anlegerschutzes wird der Antrag auf Rückzug von der Börse erst nach einem Zeitraum von sechs Monaten wirksam. Nach der neuen „Frosta-Entscheidung“ des BGH (2012) bedarf es dazu keines Hauptversammlungsbeschlusses mehr, sowie ein im Spruchverfahren überprüfbares Abfindungsangebot an die Aktionäre. Der BGH führte dazu aus, dass die gesteigerte Verkehrsfähigkeit einer Aktie aufgrund des Börsenhandels nicht vom grundgesetzlichen Eigentumsschutz erfasst wird. Zwar schütze das Eigentumsrecht den Bestand, nicht aber den wirtschaftlichen Vorteil aus einer Börsennotiereung oder eben dessen Verkehrsfähigkeit bei Börsenrückzug. Einzig die Düsseldorfer Börsenordnung sieht ein solches Verfahren, nach der sog. alten „Macrotron- Entscheidung“ bzw. diese Voraussetzungen für den Rückzug noch vor.
Durch den Börsenrückzug ergibt sich mithin für mittelständische Unternehmen insofern ein Nachteil, dass in nicht erwünschten Übernahmesituationen der potenzielle Erwerber eben nicht an die Vorschriften des WpÜG gebunden ist. So könnte es mangels anderweitiger Auswegsmöglichkeiten dazu kommen, dass jedes Erwerbsangebot zu einem einigermaßen vernünftigen Preis sicherlich durchschlagenden Erfolg haben wird. Darüber hinaus bedeutet ein Delisting für die Gesellschaft im Falle einer Kapitalerhöhung ein höherer Aufwand in Bezug auf die Veröffentlichung eines Wetpapierprospektes. Denn eine Prospektbefreiung für öffentliche Angebote gibt es nur für börsennotierte Gesellschaften, für Bezugsangebote in einem maximalen Umfang von 5 Mio. €. Damit geht gerade bei kleineren Kapitalerhöhungen ein erheblicher Aufwand einher.
Frankfurt am Main, den 09.04.2014 von Oliver Krautscheid
Die neuste Rechtssprechungsänderung durch die Frosta- Entscheidung des BGH vom 8.10.2013, II ZB 26/12 bringt zwei grundlegende Änderungen mit sich. Zum einen braucht reguläres Delisting, sowie Downgrading fortan keinen Hauptversammlungsbeschluss mehr und zum anderen fällt die Pflicht eines angemessenen im Spruchverfahren nachprüfbaren Abfindungsangebotes an die Aktionäre im Zuge eines regulären Delistings weg.
Der Emittent kann somit ohne Hauptversammlungsbeschluss die Zulassung der Aktien zum Handel an der Börse widerrufen. Ein Anspruch der Aktionäre auf eine im Spruchverfahren nachprüfbare Barabfindung in Höhe des Verkehrswertes gibt es nicht mehr. Damit wurden die Grundsätze der alten Macrotron- Rechtsprechung des BGH vom 25.11.2002 zum Delisting, die beides vorsahen aufgegeben. Die Entscheidung eines Delistings oder Downgradings ist nur eine reine Geschäftsführungsmaßnahme, wie sich actus contrarius mangels Aufnahme in den Katalog der Hauptversammlungskompetenzen in § 119 Abs.1 AktG ergibt. Ferner geht mit der Delisting-Entscheidung auch kein Mediatisierungseffekt einher, der eine ungeschriebene Alleinzuständigkeit der Hauptversammlung begründen würde. Als Geschäftsführungsmaßnahmen können Delisting und Downgrading allerding ggfs. der Zustimmung des Aufsichtsrates gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG unterliegen, deren Voraussetzungen allein durch die BörsG und die Börsenordnungen bestimmt werden.
Folglich hat der Emittent in Zukunft lediglich die kapitalmarktrechtlichen Vorgaben aus § 39 Abs.2 BörsG (potenzielles Risiko) zu beachten, wonach der Widerruf der Zulassung zum Handel im regulierten Markt nicht dem Schutz der Aktionäre widersprechen darf. Einzelheiten der Voraussetzungen und Ausnahmen sind in der jeweils geltenden regionalen Börsenordnung geregelt.
Früher wurde mit der Macrotron- Rechtsprechung des BGH vom 25.11.2002 vertreten, dass der Wert einer Aktie durch die Möglichkeit sie zu handeln geprägt ist.
Der Verkehrswert und die jederzeitige Möglichkeit seiner Realisierung seien Eigenschaften des Aktieneigentums, die wie dieses selbst verfassungsrechtlichen Schutz genössen. Daher war nach alter Rechtsprechung zum hinreichenden Schutz der Aktionäre durch Art. 14 Abs.1 GG, ein Hauptversammlungsbeschluss mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich und den Aktionären sollte ein Pflichtangebot durch die Gesellschaft oder Großaktionär gemacht werden, dass dem vollen Wert des Aktieneigentums entspricht und darüber hinaus in einem Spruchverfahren der gerichtlichen Kontrolle unterworfen ist.
Diese für Unternehmen erhebliche Hürde zur Durchführung eines Delisting, die aber zugleich auch dem Schutz des Aktieneigentums der Minderheitsaktionäre diente, wurde mit der neuen Rechtsprechung abgebaut. Der Wechsel eines Unternehmens in ein niedrigeres Börsensegment, wie den „Entry Standard“ (Frankfurt), den m:access (München), „Freiverkehr Plus“ (Stuttgart) oder in den regulären Freiverkehr, als auch die Realisierung eines Börsenrückzugs wurden infolgedessen unter formellen, zeitlichen und finanziellen Aufwand erheblich erleichtert.
Der Widerruf der Börsenzulassung ohne Hauptversammlungsbeschluss und Barabfindungszahlung stellt auch in beiden Konstellationen kein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG dar. Denn zu dem geschützten Bestand von Art. 14 Abs.1 GG zählt nur die rechtliche Verkehrsfähigkeit, während die tatsächliche Handelbarkeit, also tatsächliche Verkehrsfähigkeit eine schlichte Ertrags- und Handelschance ist, die nicht vom Schutzbereich erfasst ist.
Als Schutz verbleibt den betroffenen Aktionären lediglich sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Widerspruch oder Anfechtungsklage gegen den Widerruf der Zulassung zu wehren.
Das derzeit bekannteste vom Delisting betroffene Unternehmen ist die Air Berlin AG, daneben stehen weitere Unternehmen, wie Solarpraxis AG, EPG AG, Schuler AG, Swarco Traffic Holding AG.