Frankfurt am Main, den 14.09.2014 von Oliver Krautscheid
Im Vorfeld des 70. Deutschen Juristentags (16. – 19.09.2014), welche die Diskussion über eine Reform der Organhaftung zum Gegenstand hat, werden bereits unzählige Regelungsvorschläge unterbreitet.
In Bezug auf die Kodifizierung der Geschäftsleiterpflichten geht es um die Konturierung des Pflichtenprogramms eines Geschäftsleiters nach §§ 93 Absatz 1 Satz 1 AktG, 43 Absatz 1 GmbHG.
Es wird unter anderem vertreten, dass die Generalklausel eine Lücke aufweist, da sie an keine Stelle auf die Treuepflicht des Geschäftsleiters eingeht. Demgegenüber hebt der Deutsche Corporate Governance Kodex die einzelnen Ausprägungen der organschaftlichen Treuepflichten in Ziffer 4.3.3 besonders hervor. Zur Lückenschließung wird vorgebracht, in §§ 93 Absatz 1 Satz 1 AktG, 43 Absatz 1 GmbHG eine Zweiteilung in Sorgfalts- und Treuepflicht zu statuieren.
Des Weiteren wird der Wunsch geäußert, den Grundsatz der Gesamtverantwortung des Vorstandes ausdrücklich ins Gesetz mit aufzunehmen. Es gilt eine ressortübergreifende Überwachungspflicht
Es wird vorgebracht, dass der bisher von der Rechtsprechung anerkannte, aber im Gesetz an keiner Stelle angesprochene Grundsatz, zu wenigen Vorstandsmitgliedern und GmbH – Geschäftsführern bekannt ist und daher aufgrund der Orientierungsfunktion des geschriebenen Rechts ausdrücklich aufzunehmen ist.
Wiederum andere schlagen vor, die generalklausulierten Geschäftsführerpflichten weiter aufzufächern und damit zu spezifizieren. Der Deutsche Corporate Governance schlüsselt diese bereits weiter auf und äußert sich zu Korruption (Ziff. 4.3.2), Treuepflicht und Geschäftschancenlehre (Ziff. 4.3.3) sowie Interessenskonflikte und ihre Offenlegung (Ziff. 4.3.4). Eine Übernahme dieser Spezifikationen könnte zur Anschaulichkeit und Bewusstseinsbildung innerhalb der Rechtsgemeinschaft beitragen. Andererseits ist es bedenkenswert, bestimmte Einzelpflichten im Gesetz aufzunehmen. Lernpsychologisch sinnvoller sind plastische Erläuterungen von Rechtsberatern über den Pflichtenkanon einen Vorstandes.
Frankfurt am Main, den 13.09.2014 von Oliver Krautscheid
Der folgende Beitrag befasst sich mit den Reformvorschlägen zur Begrenzung der Organhaftung.
Vorstand und Aufsichtsrat haften nach dem Aktienrecht schon für leichte Fahrlässigkeit unbegrenzt. Die Haftung kann weder durch die Satzung noch durch den Anstellungsvertrag eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Pflichtwidriges Verhalten und Verschulden werden dabei vermutet. In materieller Hinsicht haften Organwalter daher besonders streng. Allerdings wird die strenge Haftung mit der Schwierigkeit der Durchsetzung wieder relativiert.
Bei der Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen amtierende oder ausgeschiedene Vorstandsmitglieder steht der Aufsichtsrat oft vor einem Dilemma. Ansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder durch den Vorstand werden eher selten verfolgt und die Aktionärsklage nach § 148 AktG hat hohe Zulassungsschranken und nur eine geringe Anreizwirkung.
Es wird daher gefordert:
Die Aktionärsklage
Die Aktionärsklage nach § 148 AktG wurde mit dem UMAG 2005 eingeführt, ebenso wurde die deutsche Business Judgement Rule in § 93 Absatz 1 Satz 2 AktG aufgenommen. Zur Schaffung einer höheren Akzeptanz der Aktionärsklage in der Praxis, wird gefordert die Zulassungsvoraussetzungen zu verringern und die Klageübernahmen durch die Gesellschaft gemäß § 148 Absatz 3 AktG abzuschaffen.
Begrenzung der Ersatzpflicht – Verfolgung und Begrenzung
Die existenzgefährdende unbegrenzte Haftung von Organmitgliedern gibt Anlass zu Überlegungen, wie sich eine angemessene Begrenzung der Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen bzw. eine Begrenzung der Ersatzpflicht unter Billigkeitsgründen bewerkstelligen lässt.
Die aus dem ARAG- Urteil des BGH vom 21.4.1997 resultierende Auffassung der Aufsichtsrat muss gegen pflichtvergessene Vorstandsmitglieder klagen, führte zu einer Welle von Organhaftungsklagen vor den ordentlichen Gerichten und Schiedsgerichten wie auch D&O Haftungsfällen. In diesem Zusammenhang stachen die exorbitanten Schadensersatzsummen heraus, die oft in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigen des in Anspruch genommenen Organmitgliedes standen. Diese als strikte Rechtspflicht der Anspruchsverfolgung verstandene Auffassung wird als Fehlinterpretation des Urteils verstanden. Vielmehr ist die Geltendmachung von Ansprüchen ein unternehmerisches Ermessen i.S.v. § 93 Absatz 1 Satz 2 AktG, bei dessen Bewertung private Interessen pflichtvergessener Organmitglieder allerdings nur Nebenfolgen mit Auswirkung auf das grundsätzlich zu verfolgende Gesellschaftsinteresse finden.
In Bezug auf eine Haftungsbegrenzung ist dem vertretene Vorschlag, Organmitglieder, deren Inanspruchnahme zur wirtschaftlichen Existenzbedrohung geraten kann, Sozialschutz in entsprechender Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze zur betrieblich veranlassten Tätigkeit zukommen zu lassen, eine Absage zu erteilen. Schließlich würde der gesetzlich in §§ 93 Absatz 3 AktG, 43 Absatz 3 GmbHG statuierte zwingende Haftungstatbestand mit Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegien unterlaufen. Zudem beziehen sich diese Privilegien auf einen Interessensausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es wird auch keine gesetzliche Haftungshöchstgrenze geben, da eine solche Grenze mit dem Grundsatz der unbegrenzten Haftung nicht vereinbar wäre. Entgegen der unbegrenzten Organhaftung nach §§ 93, 116 AktG kann bei GmbH- Geschäftsführern die Haftung gemäß § 43 GmbHG bis zu den Grenzen des Vorsatzes und der zwingenden Haftung nach Absatz 3 der Vorschrift beschränkt werden. Diesbezüglich wird der Vorschlag vorgebracht, Aktionären, die letztendlich die wirtschaftliche Konsequenz einer Haftungsverschonung von Organmitgliedern zu tragen haben, die Satzungsautonomie bezüglich eines Haftungsausschlusses bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit und der zwingenden Haftung nach § 93 Absatz 3 AktG einzuräumen.
Der 70. Deutsche Juristentag findet vom 16.- 19. September 2014 in Hannover statt.