Frankfurt am Main, den 11.10.2015 von Oliver Krautscheid
Der Vergleich ist eine Ausprägung der Vertragsfreiheit, infolgedessen er der privatautonomen Verwendung und Ausgestaltung offen steht. Das Aktiengesetz regelt den Vergleich häufiger als das Bürgerliche Recht mit § 779 BGB und schränkt ihn gewissermaßen ein.
Gemäß § 93 Absatz 4 Satz 3 AktG kann sich die Gesellschaft erst drei Jahre nach Entstehung des Anspruchs und auch nur wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, über Ersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder vergleichen. Dies gilt auch für Ersatzansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder.
Die Ursprungsnorm für den Vergleich bildete Art. 213d ADHGB, der durch die Aktienrechtsnovelle von 1884 ins Gesetz aufgenommen wurde. Er enthielt lediglich eine Vergleichsbeschränkung für Gründungsansprüche der Gesellschaft. Hintergrund war die Vermeidung von Missbräuchen, indem sich die Gründer eine Haftungsbefreiung für ihre Geschäftstätigkeit erließen. Vorgesehen war ein Widerspruchsrecht, welches bei einer Gesellschafterminderheit von 20% des Grundkapitals bestand. Mit diesem konnte die Verfolgung des Anspruchs verlangt werden. Zudem war eine drei Jahres- Frist vorgesehen. Vergleichsvereinbarungen sollten damit solange aufgeschoben werden, bis nach allgemeiner Lebenserfahrung der beherrschende Einfluss der Gründer nachgelassen hat. Die Sperrfrist wurde 1897 auf fünf Jahre heraufgesetzt und 1965 wieder auf drei Jahre verkürzt. Mit dem Aktiengesetz von 1937 wurden die Vergleichsbeschränkungen auf alle Organhaftungsansprüche ausgedehnt. 1965 hat der Reformgesetzgeber das Quorum für den Widerspruch einer Gesellschaftsminderheit von 20 auf 10 % gesenkt. Damit sollte es der Minderheit erleichtert werden, die Ansprüche der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied geltend zu machen. Daraus folgt aber auch, dass ein Widerspruch einer Minderheit, die darunter liegt, wirkungslos bleibt.
Vorbeugend der Gefahr einer kollegialen Verschonung einzelner Vorstandsmitglieder, ist die Zustimmung der Hauptversammlung Voraussetzung für den Vergleich. Erforderlich ist ein formeller Hauptversammlungsbeschluss mit einfacher Stimmenmehrheit gemäß § 133 AktG, sofern die Satzung keine anderweitige Regelung trifft. Betroffene Vorstandsmitglieder unterliegen bei der Abstimmung einem Stimmrechtsverbot gemäß § 16 Absatz 1 Satz 1 AktG.
Der Aufsichtsrat ist gemäß § 112 AktG für die Verhandlung eines Vergleichs zuständig. Die Entscheidung zu einem Vergleich ist als Kompromiss zu einer Inanspruchnahme in voller Höhe zulässig. Die Aufsichtsratsentscheidung diesbezüglich genießt den Schutz der „Business Judgement Rule“ des § 116 Satz 1 in Verbindung mit § 93 Absatz 1 Satz 2 AktG. Der Schutz entfällt, wenn Aufsichtsratsmitglieder sich bei der Entscheidung in einem Interessenkonflikt befinden, weil sie durch Abschluss eines Vergleichs, einer eigenen Haftung wegen Übernahmeverschulden entgehen wollen.
Der Aufsichtsratsentscheidung muss zwingen eine sorgfältige Entscheidungsvorbereitung zugrunde liegen. Dies ist Grundvoraussetzung für den Schutz der Business Judgement Rule. Dazu gehört beispielsweise die zuverlässige Beschaffung von Informationen. Blindes Vertrauen ist schädlich. Beispielsweise in Bezug auf die Vermögensverhältnisse des betroffenen Vorstandsmitglieds, wäre eine eidesstattliche Versicherung einzufordern.
Der wesentliche Inhalt des Vertrags ist bekanntzumachen, da die Hauptversammlung gemäß § 93 Absatz 4 Satz 3 AktG über die Vergleichsvereinbarung beschließen soll, § 124 Absatz 2 Satz 2 AktG. Dabei muss den Aktionären lediglich, die für den Vergleich kennzeichnenden und kritischen Punkte erkennbar gemacht werden. Weitergehende Informationspflichten gibt es nicht und diese sind auch nicht im Wege eine Gesamtanalogie zu begründen.
Der Hauptversammlungsbeschluss über die Zustimmung zum Vergleich kann mit der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage angegriffen werden.
Festzuhalten bleibt weiter, dass die Gesellschaft grundsätzlich erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs die Möglichkeit hat, sich über ihn zu vergleichen. Wie bereits oben erwähnt, soll die Regelung die Gesellschaft davor schützen voreilig, also vor Bekanntwerden des tatsächlichen Schadensausmaßes, über ihren Anspruch verfügen. Die Frist beginnt erst mit Eintritt des Schadens dem Grunde nach. Nach überwiegender Auffassung ist ein vor Ablauf der Sperrfrist geschlossener Vertrag auch dann unwirksam, wenn er unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Hauptversammlung steht und deren Zustimmung erst nach Ablauf der Frist erfolgt. Möglich und zulässig sind allenfalls unverbindliche Vergleichsgespräche. Diesbezüglich gibt es eine Auffassung die vertritt, dass eine rasche Streitbeilegung auch im Interesse der Gesellschaft liegen kann und daher ein vorheriger Vergleich möglich sein sollte. Der Gesetzgeber ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat die Sperrfrist nicht gestrichen.
Unternehmen versuchen durch ausgeklügelte Tricks sich dem Anwendungsbereich des § 93 Absatz 4 Satz 3 AktG zu entziehen. Wird der Schadensersatzanspruch einem Dritten abgetreten, so gilt für diesen das Vergleichsverbot nicht. Es ist umstritten, ob diese Normvermeidungsstrategie zulässig ist oder eine unzulässige Gesetzesumgehung darstellt. Erhält die Gesellschaft eine vollwertige Gegenleistung wird man von der Zulässigkeit ausgehen können. Die Gesellschaft stünde in diesem Fall sogar besser da, als wenn die den Anspruch selbst gegen das Organmitglied durchsetzen müsste.
Von § 93 Absatz 4 Satz 3 AktG werden sowohl der außerordentliche Vergleich, als auch der Prozessvergleich, der Anwaltsvergleich und der Schiedsvergleich erfasst. Eine etwaige Ersatzpflicht gegenüber den Gläubigern wird durch den Vergleich nicht aufgehoben, sofern diese von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen. Dem Vergleich kommt insofern nur eine relative Wirkung zu.
Frankfurt am Main, den 11.10.2015 von Oliver Krautscheid
Vergleiche bilden ein übliches und regelmäßig sinnvolles Mittel der Streitbeilegung. Im Folgenden geht es um den Vergleich über Einlageansprüche sowie Drittansprüche.
Vergleich über Einlageansprüche
Aktionäre können gemäß § 66 Absatz 1 Satz 1 AktG von ihren Leistungspflichten nach den §§ 54 und 56 AktG nicht befreit werden. In der Praxis stellt sich schon lange die Frage, ob es für dieses Erlass- bzw. Vergleichsverbot Ausnahmen gibt.
Schon das Reichsgericht hat in seiner Entscheidung im Jahr 1914 entschieden, dass ein Erlass der Stammeinlage in Form eines Vergleichs unzulässig ist, sofern nicht der Sache, sondern nur der Form nach ein Vergleich vorliege. Dagegen sei ein ernsthafter Vergleich zulässig. Diese Rechtsprechung entwickelte sich weiter. 2011 konkretisierte der BGH, dass ein Vergleich über unter § 66 Absatz 1 AktG fallende Ansprüche dann zulässig ist, wenn er wegen tatsächlicher oder rechtlicher Ungewissheit über den Bestand oder Umfang des Anspruchs geschlossen wird und sich dahinter nicht nur eine Befreiung in der Form eines Vergleichs versteckt. Objektiv betrachtet kann durch den Abschluss eines Vergleichs eine Befreiung des Aktionärs von seinen Leistungspflichten eintreten. Wenn aber der Umfang und die Existenz des Anspruchs ungewiss sind, stehe eine Befreiung aber gerade nicht fest. Grundsätzlich sei aber ein Vergleich, durch den die Ungewissheit darüber, was der Gesetzeslage entspricht, durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt werde, trotz des Widerspruchs zum zwingenden Recht wirksam, wenn der Vergleichsinhalt den Bereich nicht verlasse, der bei objektiver Betrachtung ernstlich zweifelhaft sei. Die Beurteilung dessen, obliegt in erster Linie dem Tatrichter.
Dem BGH zufolge ist ein Vergleich über Einlage- oder Differenzhaftungsansprüche gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft und damit auch gegenüber dem Insolvenzverwalter wirksam. Begründet wird dies mit dem Schutzzweck der Norm. Ein kollusives Zusammenwirken von Organen und Aktionären zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger sei im Rahmen des § 66 Absatz 1 AktG nicht zu besorgen, weil ein Vergleich von vorneherein nur bei Ungewissheit über Bestehen oder Umfang der Einlageschuld in Betracht komme.
Vergleich über Drittansprüche
Prinzipiell ist ein Vergleich der Gesellschaft über Drittansprüche zulässig. Das Aktienrecht kennt nämlich kein generelles Vergleichsverbot, sondern weist nur verstreute Einzelvorschriften über Vergleichsbeschränkungen für bestimmte Arten von Ansprüchen auf. Da es keine Beschränkung für Drittansprüche gibt, kann über diese frei verfügt werden. Die Dispositionsbefugnis hat dabei der Vorstand inne. Zu fokussieren sind daher die Sorgfaltsanforderungen an Vorstandsmitglieder beim Abschluss eines konkreten Einzelvergleichs.
Allgemein betrachtet obliegt den Vorstandsmitgliedern die treuhänderische Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen. Das ihnen durch die Aktiengesellschaft anvertraute vermögen, haben sie sorgfältig zu verwalten. In diesem Zusammenhang spricht man strafrechtlich von Vermögensbetreuungspflicht und zivilrechtlich von einer organschaftlichen Vermögensverantwortung. Verlangt wird jedenfalls ein strukturiertes Vorgehen bei der Vergleichsvorbereitung.
Die Vorstandsmitglieder müssen die Nichteinigungsalternative analysieren und bewerten sowie Vorteile einer gütlichen Einigung analysieren. Schließlich müssen beide Handlungsoptionen gegenübergestellt werden. Dieser Abwägungsvorgang sollte sorgfältig und nachvollziehbar dokumentiert werden.
Vorstandsmitglieder dürfen nicht grundlos auf Ansprüche der Gesellschaft verzichten. Es gilt insofern das Verbot der Verschwendung von Gesellschaftsvermögen.
Verletzten Vorstandsmitglieder ihre Sorgfaltspflicht, sind sie zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage von Interesse, ob Vorstandsmitgliedern bei und ggfs. unter welchen Voraussetzungen beim Abschluss eines Vergleichs, die Privilegierung der Business Judgement Rule zu Gute kommt. Dazu müsste es sich beim Abschluss eines Vergleichs zunächst um eine unternehmerische Entscheidung handeln. Abschließend sind die Voraussetzungen einer unternehmerischen Entscheidung noch nicht geklärt. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 93 Absatz 1 Satz 2 AktG lässt sich jedenfalls entnehmen, dass sie infolge ihrer Zukunftsbezogenheit, durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzung geprägt sind. Bei der Entscheidung über den Vergleich handelt es sich um eine Entscheidung unter Unsicherheit und sie hat auch prognostische Elemente, da sie auf einer Einschätzung aus Klageaussichten und die voraussichtliche Entscheidung eines Gerichts oder Schiedsgerichts aufbaut. Diese Entscheidung ist folglich als unternehmerische Entscheidung einzustufen und als solche muss sie weiter auf Grundlage angemessener Informationen vorgenommen worden sein.
Auch Voraussetzung für den Schutz der Business Judgement Rule ist, dass das Vorstandsmitglied zum Wohle der Gesellschaft handelt. Grundsätzlich unterliegen unternehmerische Entscheidungen nur einer Evidenzkontrolle. Der weite Ermessensspielraum gilt es dann als überschritten, wenn eine gänzlich unvertretbare Entscheidung vorliegt. Wann dies der Fall sein soll, lässt sich nur anhand einer Gesamtwürdigung unter Einziehung aller Umstände beurteilen.
Bei einem Vergleich über Drittansprüche bedarf es keiner Zustimmung der Hauptversammlung. Dies gilt unabhängig vom Vergleichsvolumen. Der Aufsichtsrat hat immerhin im Rahmen des § 111 Absatz 4 Satz 2 AktG die Möglichkeit, die Entscheidung über den Vergleich einem vorab oder ad hoc Zustimmungsvorbehalt zu unterwerfen.
Frankfurt am Main, den 04.06.2015 von Oliver Krautscheid
Durch das Rupert- Scholz Urteil des BGH vom 17.11.2011 (III ZR 103/10) wurde der Anlegerschutz weiter gestärkt. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es darum, dass einem Anleger neben dem als Eimissionsprospekt titulierten Dokument eine 80-seitige Produktinformation auch ein als Sonderdruck vertriebene Presseartikel übergeben wurde. In dem Presseartikel war ein Interview eines ehemaligen Bundesministers, Rupert Scholz, abgedruckt. Dieser hatte sich im dem Artikel positiv zu dem Anlagemodell geäußert.
Prospekthaftung
Grundsätzlich ist der Herausgeber für das Prospekt haftungsrechtlich verantwortlich. Aber auch solche Personen haften, die aufgrund ihrer besonderen beruflichen oder wirtschaftlichen Position oder als berufsmäßiger Sachkenner eine Garantenstellung einnehmen, sofern sie durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken am Prospekt einen besonderen Vertrauenstatbestand schaffen. Rupert Scholz war zwar kein berufsmäßiger Sachkenner, er hat aber ähnlich diesem Personenkreis Vertrauen in Anspruch genommen. Daher haftet er. Er hat insgesamt ein positives Bild der Anlage gezeichnet und dadurch ein Gefühl der Sicherheit erzeugt. Er ist als ein nach außen fachkundig aufgetretener Werbeträger ebenso Garant, wie Rechtsanwälte, Steuer- und Wirtschaftsprüfer als Sachkenner.
Prospektbegriff
Im Urteil vom 17.11.2011 wurde der Begriff des Prospekts erstmals definiert. Ein Prospekt ist danach eine marktbezogene schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der angebotenen Anlagen erhebliche Angaben enthält oder den Anschein eines solchen Inhalts erweckt, wobei diese Erklärung tatsächlich oder zumindest dem von ihr vermittelten Eindruck nach Anspruch erheben muss, eine das Publikum umfassend informierende Beschreibung der Anlage zu sein. Der BGH erweitert diese Definition, um solche Dokumente, die nicht sämtliche für die Anlageentscheidung maßgeblichen Informationen enthalten oder diesen Anschein erwecken. Es ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich. Aufgrund dessen ist der BGH auch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Presseartikel im zugrundeliegenden Sachverhalt ein Bestandteil des Anlageprospekts darstellt. Für diese Ansicht spricht auch, dass alle Druckerzeugnisse zusammen herausgegeben und somit als Einheit aufgefasst wurden.
Frankfurt am Main, den 02.01.2015 von Oliver Krautscheid
In dem Urteil des BGH vom 5.3.2013 – II ZR 252/11 äußert der BGH sich zur Beurteilung der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Prospekts.
Viele Klageverfahren beschäftigen sich mit Fragen zur Prospekthaftung. Da stellt sich unter anderem die Frage, ob einzelne Prospektaussagen oder isolierte Sätze die Fehlerhaftigkeit des Prospekts begründen können. Die Fehlerhaftigkeit würde dann zu einem Schadensersatzanspruch aufgrund culpa in contrahendo (§ 311 Absatz 2 und 3 BGB) führen.
Voraussetzung bei der Herausgabe eines Prospekts ist, dass die Angaben sachlich richtig und vollständig sind. Diese Voraussetzung leuchtet ein, denn in der Regel ist das Prospekt die einzige Grundlage für die Anlageentscheidung des Käufers.
Den Maßstab für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts bildet die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Anlegers. Erwartet wird allerdings, dass ein solcher Anleger das Prospekt sorgfältig durchliest.
Der BGH entschied in seinem Urteil vom 5.3.2013, dass nicht auf eine einzelne bestimmte Formulierung im Prospekt abzustellen ist, sondern dass es auf das Prospekt im Gesamten ankommt. Der BGH konkretisiert dies wie folgt, dass wenn die beanstandete Formulierung unter Berücksichtigung des sprachlichen Zusammenhangs, der Systematik der Prospektdarstellung und des vom Prospekt vermittelten Gesamtbildes keine unzutreffende Vorstellung über die Haftungsreihenfolge hervorruft, führt dies nicht zu einer Fehlerhaftigkeit des Prospekts.
Frankfurt am Main, den 12.12.2014 von Oliver Krautscheid
In Zusammenhang mit der Vorstandsvergütung werden immer häufiger die Forderungen nach Obergrenzen laut. Klaus- Peter Müller, Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank AG und Manfred Gentz, ehemaliger Finanzvorstand der Daimler AG plädieren für eine Integration einer Obergrenze in das Vergütungssystem selbst oder durch Aufnahme sogenannter Caps in die Vorstandsverträge.
Möglichkeiten der Begrenzung und Akzeptanz
Bislang werden Ansätze zur Begrenzung der Vorstandsvergütung noch überwiegend abgelehnt, wie einer Studie aus Jena zu entnehmen ist. Unter den Beteiligten wurden 13 Ansätze zur unmittelbaren und mittelbaren Vergütungsbegrenzung auf der Basis einer Punkteskala von 0 (sinnlos) bis 10 (sinnvoll) zur Abstimmung gestellt. Überwiegend abgelehnt wurden fixe bzw. starre gesetzliche Obergrenzen sowie die Einführung einer gesetzlichen Obergrenze als bestimmtes Vielfaches eines durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens in der AG. Positive Signale gab es für den Vorschlag bloße Richtlinien für Vorstandsbezüge in die Satzung aufzunehmen.
Rechtfertigung
Regelmäßig wird eine Vergütungserhöhung mit der Abwanderungsgefahr der Vorstände ins Ausland gerechtfertigt. Eine solche würde zu einem erheblichen Standortnachteil im internationalen Wettbewerb um den besten Kandidaten führen. Diese Auffassung verfehlt, dass zwar der finanzielle Anreiz für einen Kandidaten eine gewichtige Entscheidungskomponente ist, aber auch andere Faktoren wie die Aufrechterhaltung sozialer Netzwerke, familiäre Bindungen etc. eine Rolle spielen. Die Bereitschaft allein wegen einer höheren Vergütung ins Ausland zu gegen ist bei den Vorständen eher als gering einzustufen.
In Zuge der Finanzkrise wurde bereits eine gesetzliche Vergütungsobergrenze von EUR 500.000,00 festgelegt, wenn das Unternehmen sanierungsbedürftig ist. Betroffene Gesellschaften waren die Commerzbank AG, West LB AG, Aareal Bank AG und Hypo Real Estate Holding AG. Unter den der Grenze unterworfenen Vorstandsmitgliedern kam es jedoch nur sehr gering zu Abgängen.
Frankfurt am Main, den 30.11.2014 von Oliver Krautscheid
Die Vergütung des Managements ist immer wieder ein aktuelles Diskussionsthema. Dabei dreht es sich zumeist um die Höhe und die Zusammensetzung der Vorstandsvergütung. Dabei stehen beispielsweise die höhenmäßige Begrenzungen oder Begrenzungen der steuerlichen Absetzbarkeit der Vergütung zur Debatte sowie die Frage, inwieweit die Aktionäre über die aktuell noch unverbindliche say-on-pay-Regelung des geltenden § 120 Absatz 5 AktG hinaus an der Festsetzung der Vergütung zu beteiligen sind.
Problematik Abfindungsleistungen
Eine weitere danebenstehende Problematik stellt die Abfindungsleistung an Manager dar.
Abfindungszusagen sind als Vergütungsbestandteil auch im künftigen System zur Billigung der Vorstandsvergütung durch die Hauptversammlung vorzulegen. Bekanntester Fall diesbezüglich dürfte wohl die Abfindungszahlung in Höhe von EUR 50 Millionen an Wendelin Wiedeking (Porsche AG) im Jahr 2009 gewesen sein. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende erhielt die Zahlung, obwohl das Geschäftsjahr 2008/ 09 mit einem Verlust von EUR fünf Milliarden abgeschlossen wurde. Es folgen aber eine lange Reihe ebenfalls empörender Abfindungszahlungen. Zu denken ist etwa an die Abfindungszahlung der Schott AG an Udo Ungeheuer. Herr Ungeheuer bekam eine EUR zwei Millionen Abfindung, bei einem Rekordverlust von EUR 278 Millionen. Die nach dem regulären Ausscheiden von Josef Ackermann (Deutsche Bank AG) abberufenen Vorstandsmitglieder Hermann- Josef Lamberti und Hugo Bänziger sollen Abfindungs- und Ruhegehaltsansprüche im Wert von insgesamt EUR 26 Millionen (Lamberti) und EUR 15 Millionen (Bänziger) zustehen. Dreistester Fall ist wohl nach wie vor der von Utz Claasen, der bei der Solar Millenium AG 74 Tage im Amt war, EUR 9 Millionen Antrittsgeld erhielt, eine monatliche Vergütung von EUR 100.000,00 zzgl. Extraleistungen (Versicherung, Fahrer, Sicherheitspersonal) und nach seinem freiwilligen Amtsaustritt eine Abfindung von EUR 7,12 Millionen erhielt. Alle Beispiele stoßen weiterstgehend auf Ablehnung. Im Folgenden wird diese Problematik näher betrachtet.
Begriff der Abfindung
Dabei ist zunächst ein Blick auf den Begriff der Abfindung zu werfen. Eine gesetzliche Definition gibt es nicht. Die Bandbreitereicht daher von der Vergütung für die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages bis zur Gewährung zusätzlicher Leistungen. Oft werden Abfindungszahlungen in sogenannten „Sonderaufwendungen“ versteckt.
Angelehnt an den arbeits- und steuerrechtlichen Abfindungsbegriff sind darunter solche Zahlungen zu verstehen, die im Zusammenhang mit der Beendigung der Anstellung stehen und als Entschädigung für die hierdurch entstehenden Nachteile gezahlt werden. Zu differenzieren ist dabei zwischen sogenannten ablösenden Abfindungen, also solchen die nur die bestehenden Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag abgelten und den sogenannten zusätzlichen Abfindungen. Zahlungen, die bereits geleistete Arbeit honorieren stellen keine Abfindungen dar. Ausgenommen Anerkennungs- und Stillhalteprämien oder Ermessenstantieme sowie die Abgeltung von Aktienoptions- oder Ruhestandsgehälter.
Entscheidung des Aufsichtsrats
Die Entscheidung über die Festsetzung der Abfindung trifft das Aufsichtsratsplenum. Diese Zuständigkeit erhöht die Transparenz und fördert eine intensivere Beschäftigung des Aufsichtsrats mit Fragen der Vergütung.
Die Festlegung über die Abgeltung ausstehender Fixvergütung ist nicht von der Business Judgement Rule erfasst. Es fehlt bereits das prognostische Element einer unternehmerischen Entscheidung. Der Gewährung zusätzlicher Abfindung liegt eine Prognose zu Grunde. Generell gilt, dass wenn die Abfindung die Summe der Vergütungsansprüche aus der Restvertragslaufzeit übersteigt, eine Begründungslast für solche zusätzliche Zahlungen steigt. Welche Abfindungshöhe angemessen ist, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Ein Beurteilungsspielraum ist daher gegeben.
Der Aufsichtsrat sollte eine Kürzungsmöglichkeit bei der Festlegung der ablösenden Abfindung in seine Beurteilung miteinbeziehen. Bei dieser Ermessensentscheidung sollte der Aufsichtsrat bedenken, dass das frühere Vorstandsmitglied bei unterbliebener Kürzung und anschließender Ausübung einer neuen Tätigkeit finanziell besser gestellt wäre, als es bei Fortdauer seines Anstellungsvertrages stehen würde. Eine Abfindung ohne Anrechnungsklausel kann gerechtfertigt sein, wenn beispielsweise die Gesellschaft ein Interesse daran hat, eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Zulässigkeit einer Abberufung zu vermeiden.
Zusätzliche Abfindungen bedeuten eine nachträgliche Erhöhung der ursprünglich vereinbarten Vergütung. Diese sind nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Hinsichtlich Abfindungszusagen ist auf den Grundsatz aus dem „Mannesmann“- Fall zu verweisen, welcher besagt, dass Abfindungszusagen in Aufhebungsverträgen, die über die dienstvertraglichen Regelungen hinausgehen, nur dann zulässig sind, wenn von ihnen eine ausreichende Anreizwirkung hervorgeht und sie sich nicht als Verschwendung von Gesellschaftsvermögen darstellen. Eine Entscheidung des Aufsichtsrates diesbezüglich ist ausführlich zu begründen.
Möglichkeiten einer Begrenzung von Abfindungen
Gesetzlich sind derzeit keine Einschränkungen vorgegeben. Von vertraglichen Regelungen wird nur selten gebrauch gemacht. Scheidet ein Vorstandsmitglied vorzeitig aus dem Amt, hat die Gesellschaft ein Interesse daran, sich möglichst schnell und ohne hohe finanzielle Belastungen auch vertraglich von dem früheren Vorstandsmitglied zu lösen. Aufgrund des Trennungsprinzips im Aktienrecht ist die Bestellung zum Vorstandsmitglied vom schuldrechtlichen Anstellungsvertrag zu unterscheiden. Das Ende der Organstellung hat nicht zwingend die Beendigung des Anstellungsverhältnisses zur Folge. Das Anstellungsverhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied kann nur aus wichtigem Grund beendet werden und einen solchen stellt der Widerruf der Bestellung nicht unbedingt dar. Solange der Anstellungsvertrag fortbesteht ist die Gesellschaft zur Zahlung der Vergütung verpflichtet. Der Aufsichtsrat sollte daher über zweckdienliche Vertragsklauseln nachdenken, durch die mögliche Abfindungsansprüche begrenzt und unangemessene Ergebnisse verhindert werden können.
a) Modifizierte Kopplungsklausel
Bei dieser Möglichkeit wird das Ende des Dienstvertrages an das Ende der Organstellung geknüpft. Infolgedessen verliert das Vorstandsmitglied seinen Vergütungsanspruch und erhält im Gegenzug dafür eine Abfindung. Die Klausel sollte alle Fälle einer vorzeitigen Beendigung erfassen, um Umgehungen auszuschließen.
b) Abfindungszahlung unter Vorbehalt
Ferner besteht die Möglichkeit das Entstehen des Abfindungsanspruchs vom Ablauf einer bestimmten Frist abhängig zu machen, sodass der Anspruch auf die Abfindung beispielsweise erst drei Jahre nach Beendigung des Anstellungsvertrages besteht. Möglich ist auch die Vereinbarung einer nachträglichen Kürzung für den Fall, dass das Unternehmen später in die Krise gerät.
Empfehlenswert ist auch die Zahlung der Abfindung unter dem Vorbehalt zu stellen, dass dem Vorstandsmitglied keine Pflichtverletzungen im Sinne des § 93 Absatz 2 Satz 1 AktG nachgewiesen werden.
Frankfurt am Main, den 20.09.2014 von Oliver Krautscheid
Folgende Vorschläge haben zum Ziel, die Schaffung einer best practice für die Geschäftsleitung zur Planung und Durchführung einer Unternehmenszusammenführung (Post Merger Integration). Hintergrund der Vorschläge ist das Scheitern von 60 – 70 % aller Post Merger Integrationen oft aufgrund von unternehmerischem Missmanagement bei der Planung, Vorbereitung und Umsetzung der Unternehmensintegration. Das Missmanagement wurde nur selten durch Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen geahndet, sondern vielmehr erfolgte die Abberufung des betreffenden Organmitgliedes.
Organpflichten der Geschäftsleitung bei unternehmerischen Entscheidungen
Unternehmerische Entscheidungen sind haftungsrechtlich privilegiert. Das gilt auch für die Vorbereitung und Umsetzung einer Post Merger Integration. Unternehmerische Entscheidungen fallen unter die sogenannte Business Judgement Rule. Diese ist in § 93 Absatz 1 Satz 2 AktG verankert. Der Vorstand haftet danach nicht, wenn er vernünftigerweise annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Dass die Voraussetzungen dafür vorliegen, fällt grundsätzlich gemäß § 76 AktG in die Gesamtverantwortung des Vorstandes.
Nach § 116 AktG gelten die Grundsätze der Organhaftung des § 93 AktG für Aufsichtsratsmitglieder entsprechend. Während der Vorstand die Geschäftsleitungsbefugnis innehat, hat der Aufsichtsrat die Überwachungsfunktion, § 111 Absatz 1 AktG. Die Haftung des Aufsichtsrates in Post Merger Integrations-Fällen kann sich daher nur aus Überwachungsfehlern in Bezug auf die Geschäftsführung ergeben. Eine Haftung kommt ebenfalls bei Nichtgeltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder in Betracht. In diesem Zusammenhang können für den Aufsichtsratsvorsitzenden dabei höhere Anforderungen gelten.
Anwendung der Grundsätze der Organhaftung auf die Post Merger Integration
Um die Haftungsrisiken einer Post Merger Integration so gering wie möglich zu halten, bietet sich an zwischen zwei Zeitphasen mit korrespondierenden Handlungspflichten zu unterscheiden.
Folgende Vorstandspflichten ergeben sich:
Phase 1: Vor Abschluss der Transaktion
Zu Beginn stehen die Vorbereitung der Transaktion im Hinblick auf die Analyse der relevanten Post Merger Risiken im Fokus sowie der Entwurf eines Integrationsplans. Neben der Erstellung von Feasibility Studien erfolgen eine Absicherung von Erfolgsparametern und die Erarbeitung alternativer Umsetzungspläne. Auf dieser Stufe erfolgt weiter eine Minimierung der Risiken durch entsprechende Verhandlungen des Kaufvertrages. Phase 1 ist zeitlich vor dem signing einzuordnen.
Phase 2: Nach Abschluss der Transaktion
Im darauf folgenden Schritt geht es um die Umsetzung und Überwachung des Integrationsplans. Dies umfasst: personelle Integration, Vereinheitlichung von Prozessen und Strukturen, Implementierung einer gemeinsamen Unternehmensstruktur und die Verschmelzung der Unternehmenskulturen. Es erfolgt gegebenenfalls eine Anpassung des Integrationsplans an geänderte Rahmenbedingungen. Empfehlenswert ist darüber hinaus ein Nachsteuern bei erkennbaren Defiziten. Diese Phase beginnt mit dem signing.
Haftung des Aufsichtsrates
Wie bereits erwähnt ergeben sich die Haftungsrisiken des Aufsichtsrates in erster Linie aus einer Verletzung der Überwachungspflichten. Besteht für den Unternehmenserwerb ein zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates nach § 111 Absatz 4 AktG, so muss dieser nicht nur das ihm zur Zustimmung vorgelegene Rechtsgeschäft prüfen, sondern darüber hinaus trifft ihn eine über den Vertragsabschluss nachwirkende Beobachtungspflicht. In Hinblick auf die Informationspolitik zwischen Aufsichtsrat und Vorstand ergibt sich in Hinblick auf die Post Merger Integration nichts anderes wie die anerkannte „Bringschuld“ des Vorstandes und die „Holschuld“ des Aufsichtsrates. Aufsichtsräten ist diesbezüglich zu empfehlen Soll- Ist Analysen von den Erfolgen der Post Merger Integration zu erstellen und sodann Handlungsempfehlungen auszusprechen.
Frankfurt am Main, den 14.09.2014 von Oliver Krautscheid
Im Vorfeld des 70. Deutschen Juristentags (16. – 19.09.2014), welche die Diskussion über eine Reform der Organhaftung zum Gegenstand hat, werden bereits unzählige Regelungsvorschläge unterbreitet.
In Bezug auf die Kodifizierung der Geschäftsleiterpflichten geht es um die Konturierung des Pflichtenprogramms eines Geschäftsleiters nach §§ 93 Absatz 1 Satz 1 AktG, 43 Absatz 1 GmbHG.
Es wird unter anderem vertreten, dass die Generalklausel eine Lücke aufweist, da sie an keine Stelle auf die Treuepflicht des Geschäftsleiters eingeht. Demgegenüber hebt der Deutsche Corporate Governance Kodex die einzelnen Ausprägungen der organschaftlichen Treuepflichten in Ziffer 4.3.3 besonders hervor. Zur Lückenschließung wird vorgebracht, in §§ 93 Absatz 1 Satz 1 AktG, 43 Absatz 1 GmbHG eine Zweiteilung in Sorgfalts- und Treuepflicht zu statuieren.
Des Weiteren wird der Wunsch geäußert, den Grundsatz der Gesamtverantwortung des Vorstandes ausdrücklich ins Gesetz mit aufzunehmen. Es gilt eine ressortübergreifende Überwachungspflicht
Es wird vorgebracht, dass der bisher von der Rechtsprechung anerkannte, aber im Gesetz an keiner Stelle angesprochene Grundsatz, zu wenigen Vorstandsmitgliedern und GmbH – Geschäftsführern bekannt ist und daher aufgrund der Orientierungsfunktion des geschriebenen Rechts ausdrücklich aufzunehmen ist.
Wiederum andere schlagen vor, die generalklausulierten Geschäftsführerpflichten weiter aufzufächern und damit zu spezifizieren. Der Deutsche Corporate Governance schlüsselt diese bereits weiter auf und äußert sich zu Korruption (Ziff. 4.3.2), Treuepflicht und Geschäftschancenlehre (Ziff. 4.3.3) sowie Interessenskonflikte und ihre Offenlegung (Ziff. 4.3.4). Eine Übernahme dieser Spezifikationen könnte zur Anschaulichkeit und Bewusstseinsbildung innerhalb der Rechtsgemeinschaft beitragen. Andererseits ist es bedenkenswert, bestimmte Einzelpflichten im Gesetz aufzunehmen. Lernpsychologisch sinnvoller sind plastische Erläuterungen von Rechtsberatern über den Pflichtenkanon einen Vorstandes.
Frankfurt am Main, den 13.09.2014 von Oliver Krautscheid
Der folgende Beitrag befasst sich mit den Reformvorschlägen zur Begrenzung der Organhaftung.
Vorstand und Aufsichtsrat haften nach dem Aktienrecht schon für leichte Fahrlässigkeit unbegrenzt. Die Haftung kann weder durch die Satzung noch durch den Anstellungsvertrag eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Pflichtwidriges Verhalten und Verschulden werden dabei vermutet. In materieller Hinsicht haften Organwalter daher besonders streng. Allerdings wird die strenge Haftung mit der Schwierigkeit der Durchsetzung wieder relativiert.
Bei der Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen amtierende oder ausgeschiedene Vorstandsmitglieder steht der Aufsichtsrat oft vor einem Dilemma. Ansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder durch den Vorstand werden eher selten verfolgt und die Aktionärsklage nach § 148 AktG hat hohe Zulassungsschranken und nur eine geringe Anreizwirkung.
Es wird daher gefordert:
Die Aktionärsklage
Die Aktionärsklage nach § 148 AktG wurde mit dem UMAG 2005 eingeführt, ebenso wurde die deutsche Business Judgement Rule in § 93 Absatz 1 Satz 2 AktG aufgenommen. Zur Schaffung einer höheren Akzeptanz der Aktionärsklage in der Praxis, wird gefordert die Zulassungsvoraussetzungen zu verringern und die Klageübernahmen durch die Gesellschaft gemäß § 148 Absatz 3 AktG abzuschaffen.
Begrenzung der Ersatzpflicht – Verfolgung und Begrenzung
Die existenzgefährdende unbegrenzte Haftung von Organmitgliedern gibt Anlass zu Überlegungen, wie sich eine angemessene Begrenzung der Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen bzw. eine Begrenzung der Ersatzpflicht unter Billigkeitsgründen bewerkstelligen lässt.
Die aus dem ARAG- Urteil des BGH vom 21.4.1997 resultierende Auffassung der Aufsichtsrat muss gegen pflichtvergessene Vorstandsmitglieder klagen, führte zu einer Welle von Organhaftungsklagen vor den ordentlichen Gerichten und Schiedsgerichten wie auch D&O Haftungsfällen. In diesem Zusammenhang stachen die exorbitanten Schadensersatzsummen heraus, die oft in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigen des in Anspruch genommenen Organmitgliedes standen. Diese als strikte Rechtspflicht der Anspruchsverfolgung verstandene Auffassung wird als Fehlinterpretation des Urteils verstanden. Vielmehr ist die Geltendmachung von Ansprüchen ein unternehmerisches Ermessen i.S.v. § 93 Absatz 1 Satz 2 AktG, bei dessen Bewertung private Interessen pflichtvergessener Organmitglieder allerdings nur Nebenfolgen mit Auswirkung auf das grundsätzlich zu verfolgende Gesellschaftsinteresse finden.
In Bezug auf eine Haftungsbegrenzung ist dem vertretene Vorschlag, Organmitglieder, deren Inanspruchnahme zur wirtschaftlichen Existenzbedrohung geraten kann, Sozialschutz in entsprechender Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze zur betrieblich veranlassten Tätigkeit zukommen zu lassen, eine Absage zu erteilen. Schließlich würde der gesetzlich in §§ 93 Absatz 3 AktG, 43 Absatz 3 GmbHG statuierte zwingende Haftungstatbestand mit Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegien unterlaufen. Zudem beziehen sich diese Privilegien auf einen Interessensausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es wird auch keine gesetzliche Haftungshöchstgrenze geben, da eine solche Grenze mit dem Grundsatz der unbegrenzten Haftung nicht vereinbar wäre. Entgegen der unbegrenzten Organhaftung nach §§ 93, 116 AktG kann bei GmbH- Geschäftsführern die Haftung gemäß § 43 GmbHG bis zu den Grenzen des Vorsatzes und der zwingenden Haftung nach Absatz 3 der Vorschrift beschränkt werden. Diesbezüglich wird der Vorschlag vorgebracht, Aktionären, die letztendlich die wirtschaftliche Konsequenz einer Haftungsverschonung von Organmitgliedern zu tragen haben, die Satzungsautonomie bezüglich eines Haftungsausschlusses bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit und der zwingenden Haftung nach § 93 Absatz 3 AktG einzuräumen.
Der 70. Deutsche Juristentag findet vom 16.- 19. September 2014 in Hannover statt.
Frankfurt am Main, den 21.06.2014 von Oliver Krautscheid
Primärer Adressat bei Handlungspflichten der Gesellschaft ist der Vorstand gemäß §§ 76, 111 Absatz 4 Satz 1 AktG- auch in der Krise. An der regulär geltenden Aufgabenverteilung ändert sich in der Krise nichts. Kernpflicht des Vorstandes ist gemäß § 15a Absatz 1 InsO die Antragspflicht auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei zahlungsunfähig oder Überschuldung ohne Fortführungsmöglichkeit der Gesellschaft. Der Antrag ist vom Vorstand ohne schuldhaftes Zögern, spätestens jedoch drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu stellen. Die drei Wochen Frist ist dabei als Höchstfrist zu verstehen und darf nur in Anspruch genommen werden, wenn aussichtsreiche Sanierungsbemühungen laufen. So ist es Pflicht des Vorstandes in Krisenzeiten der Gesellschaft ständig zu prüfen, ob Zahlungsunfähigkeit oder ggfs. eine rechtlich relevante Überschuldung gemäß § 19 InsO vorliegt. Bei der Beurteilung hat er neben der kurzfristigen Liquidität auch die mittelfristige Liquidität in seine Prüfung mit einzubeziehen.
Ab Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder rechtlich relevanter Überschuldung existiert ein absolutes Auszahlungsverbot gemäß § 92 Absatz 2 Satz 1 AktG. Dies gilt nach § 92 Absatz 2 Satz 2 nicht für Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, das heißt für solche Zahlungen, die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen der Gesellschaft bringen oder Zahlungen, die erforderlich sind um Sanierungsbemühungen nicht von vorneherein auszuschließen. Beweis- und Darlegungspflichtig in diesem Zusammenhang ist der Vorstand.
Verstößt der Vorstand gegen § 92 Absatz 2 Satz 1 AktG, so ist er zur Erstattung der Auszahlungen verpflichtet. Zwar ist bei Zahlung bestehender Verbindlichkeiten der Gesellschaft kein Schaden zugefügt worden, aber Sinn und Zweck des absoluten Auszahlungsverbotes ist der Schutz der zukünftigen Insolvenzgläubiger.
Neben der Schadensersatzpflicht stellt die verspätete Stellung eines Insolvenzantrages gemäß § 15a Absatz 4, 5 InsO auch ein strafrechtlich relevantes Verhalten dar. Selbst die fahrlässige Verkennung der Lage, sog. „ignorierte Insolvenzantragspflicht“ führt zur Strafbarkeit. Bei dessen Vorliegen kommt es in der Praxis nach § 153a StPO häufig – unter Zahlung einer hohen Geldauflage- zur Einstelllung des Strafverfahrens.
Neben der Insolvenzantragspflicht hat die allgemeine Sorgfaltspflicht des Vorstandes nach § 93 Ansatz 1 AktG ebenfalls besondere Bedeutung. Bei seinen Entscheidungen hat er einen erheblichen Beurteilungsspielraum, ist jedoch angehalten seine Entscheidungen aufgrund von hinreichenden Informationen zu treffen und kein übergroßes Risiko einzugehen. (sog. „Business Jugement Rule“)
Im Falle eines Schadensersatzprozesses hat die Gesellschaft den entstandenen Schaden zu beweisen. Den in Anspruch genommenen trifft dahingehend die Darlegungs- und Beweislast, dass er nicht pflichtwidrig gehandelt hat bzw. der Schaden bei pflichtgemäßen Verhalten ebenso eingetreten wäre und daher nicht kausal ist. Daher sollte der Vorstand auf eine umfassende qualifizierte Dokumentation achten, bei der sowohl der zugrundeliegende Sachverhalt, als auch die darauf aufbauenden Erwägungen ggfs. ergänzt durch Sachverständigen Gutachten enthalten sind.
Neben der Haftung und Verantwortlichkeit des Vorstandes tritt die Verantwortlichkeit des Aufsichtsrates. Ihn trifft die allgemein anerkannte Überwachungspflicht über den Vorstand, allerdings in der Krise mit erhöhten Anforderungen. So reicht es nicht aus, dass er sich mit unplausiblen Auskünften des Vorstandes zufrieden gibt, sondern er muss ggf. nachfragen. Aus dem Fragerecht gemäß § 90 Absatz 3 AktG, welches sich gerade auch auf die zukünftigen Geschäftsentwicklung und –planung richtet, erwächst in der Krise die Pflicht, diese Auskünfte auch tatsächlich einzufordern. Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat bezüglichen den Entscheidungen die der Vorstand in einer Sanierung treffen muss, diesen besonders zu beraten sowie die Pflicht ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er seine Entscheidungen auf Basis ausreichender Information und unter sorgfältiger Abwägung der absehbaren Chancen und Risiken trifft.
Kommt der Vorstand in Krisenzeiten der Gesellschaft, welche eine Zahlungsfähigkeit begründen, seiner Antragspflicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nach, so wandelt sich die Überwachungspflicht des Aufsichtsrates in eine Handlungspflicht um. Der Aufsichtsrat hat in diesem Fall dann darauf hinzuwirken, dass der Vorstand seine Verpflichtung erfüllt und es unterlässt unzulässige Zahlungen zu leisten. Führt dies zu keinem Erfolg ist der Aufsichtsrat verpflichtet den Vorstand abzulösen. Denn in der Nichtbeachtung begründeter Einwendungen des Aufsichtsrates ist regelmäßig ein wichtiger Grund zur Abberufung zu sehen.
Eine eigene insolvenzantragspflicht trifft den Aufsichtsrat nur, wenn die Gesellschaft führungslos ist. Dies kann durch Tod oder Amtsniederlegung des Vorstandes eintreten. Die Führungslosigkeit der Gesellschaft stellt einen gesetzlich normierten Sonderfall nach § 15a Absatz 3 InsO dar. Zu beachten ist, dass die rein faktische Unerreichbarkeit des Vorstandes keine Führungslosigkeit der Gesellschaft darstellt. Da der Aufsichtsrat im Falle eines Schadens ebenfalls ersatzpflichtig ist und ihm bei gerichtlicher Inanspruchnahme der Gesellschaft, im Prozess die Beweis- und Darlegungspflicht trifft ist die Tätigkeit bei der Überwachung des Vorstandes zu dokumentieren. Dafür reicht nicht eine bloße Ergebnisprotokolierung aus. Vielmehr sollte der Aufsichtsrat die wesentlichen Gründe seiner Entscheidung und vor allem seine Bemühungen um ausreichende Informationen festhalten.
Die Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat erfolgt im Außenverhältnis gegenüber der Gesellschaft als Gesamtschuldner. Im Innenverhältnis haften sie jedoch nach dem Maß der Verursachung und dem Grad des Verschuldens. Dabei kann im Falle einfacher Fahrlässigkeit, die Haftung auf eine D & O- Versicherung abgewälzt werden.
Frankfurt am Main, den 21.06.2014 von Oliver Krautscheid
Mit wachsender Krise der Gesellschaft erhöht sich die Intensität der Überwachungs-, Kontroll- und Beratungspflicht des Aufsichtsrates nach § 111 Absatz 1 AktG über den Vorstand. Der Aufsichtsrat hat die Pflicht sich ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft zu machen. Dazu stehen ihm insbesondere alle nach §§ 90 Absatz 3, 111 Absatz 2 AktG genannten Erkenntnisquellen zur Verfügung. Daraus können verstärkte Berichtsanforderungen, eine Erhöhung der Anzahl der Aufsichtsratssitzungen, eine zunehmende Anforderung der Abgaben von den Vorstand verpflichtenden Stellungnahmen sowie häufigere Einberufung der Hauptversammlung resultieren.
Verstößt der Aufsichtsrat gegen seine Pflichten aus § 111 AktG, so kann die Gesellschaft Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend machen. Darüber hinaus kann sich eine deliktische Haftung aus § 823 Absatz 1, § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz ergeben.
Neben der zivilrechtlichen Haftung, kann sich zusätzlich eine Strafbarkeit aus dem Insolvenzstrafrecht ergeben. Insolvenzstraftaten umfassen diejenigen Vorschriften, die mit Mitteln des Strafrechts die Gesamtvollstreckung sämtlicher gläubiger im Insolvenzverfahren sichern. Darunter fallen im engeren Sinn die §§ 283- 283d StGB (Bankrott, Verletzung der Buchführungspflicht, Gläubiger- und Schuldnerbegünstigung) sowie die Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO. Im weiteren Sinn die §§ 263 (Betrug), 265 b (Kreditbetrug), 266 (Untreue), 266 a (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) , 156 StGB (falsche Versicherung an Eides statt) sowie die Steuerhinterziehung nach § 370 AO.
Eine Insolvenzantragspflicht besteht für den Aufsichtsrat bei Führungslosigkeit der Gesellschaft sowie bei faktischer Unternehmensbeherrschung. In diesem Zusammenhang kann sich der faktische Unternehmensleiter nach allen Insolvenzdelikten strafbar machen.
Bei Jahresabschlüssen ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Aufsichtsrates, den Rechnungslegungsprozess zu überwachen und zu prüfen, in rechtlicher sowie zweckmäßiger Hinsicht. Bilanzstrafrechtliche Konsequenzen ergeben sich nach § 400 AktG für den Aufsichtsrat, wenn er unter anderem Übersichten über den Vermögensstand unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Für die Verletzung von Buchführungspflichten ergibt sich die Strafbarkeit aus §§ 283 Absatz 1 Nr. 5 bis 7 und 283 b StGB.
Darüber hinaus kann für den Aufsichtsrat eine Strafbarkeit als Teilnehmer an der Strafbarkeit des Vorstandes in Betracht kommen. Diese Konstellation meint die Situation, wenn der Vorstand die Insolvenzanzeigepflicht trägt. Denkbar ist dabei, sowohl Beihilfe in Form psychischer Beihilfe als auch eine Anstiftung, bei Einwirken des Aufsichtsrates auf den Vorstand, die Antragstellung zu unterlassen. Ohne ein Hinwirken des Aufsichtsrates, den Vorstand dazu zu bewegen seine Antragspflicht zu erfüllen, kann daneben auch eine strafrechtliche Beihilfe zur Insolvenzverschleppung treten.
Im gesamten kann damit festgehalten werden, dass Aufsichtsratsmitglieder in Zeiten einer wirtschaftlichen Krise einer Gesellschaft rechtlichen Beistand ersuchen, um mögliche strafrechtliche Risiken zu vermeiden.
Frankfurt am Main, den 10.05.2014 von Oliver Krautscheid
Der Aufsichtsrat hat bei der Frage der Vorstandshaftung gemäß §§ 111 Abs.1, 112 AktG neben personellen und organisatorischen Maßnahmen, auch die Obliegenheit im Namen der Gesellschaft eventuelle Schadensersatzansprüche gegen Mitglieder des Vorstandes nach § 93 Abs.2 Satz 1 AktG durchzuführen. Da die Anforderungen an das Tätigwerden des Aufsichtsrates nicht konkretisiert sind, bedürfen haftungsrelevante Sachverhalte besonderer Aufmerksamkeit, da sonst die Gefahr für den Aufsichtsrat besteht, selbst Schadensersatzansprüche gemäß § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 2 AktG ausgesetzt zu sein. Zur Prüfung, ob Schadensersatzansprüche geltend zu machen sind, gibt es dennoch, aus den Ausführungen des BGH-Urteils (ARAG/ Garmenbeck-Urteil vom 21.4.97 – II ZR 175/95) abgeleitete, konkret in Erwägung zu ziehende Punkte. Danach wird die Beantwortung der Frage, nach der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches, mittels einer zweistufigen Prüfung durchgeführt.
Auf erster Stufe wird geprüft, ob in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein Schadenersatzanspruch nach dem AktG besteht und ob dieser hinsichtlich des Prozessrisikos und der Betreibbarkeit der Forderung durchsetzbar ist. Im Rahmen der Prozessrisikoanalyse obliegt dem Aufsichtsrat, neben der diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast, auch den etwaigen Einfluss anderweitiger Behörden- oder Gerichtsentscheidungen zu berücksichtigen. Eine gerichtliche Klagezulassung löst somit eine vertiefte Ermittlungspflicht des Aufsichtsrates aus. Die Feststellung der Betreibbarkeit der Forderung unterliegt derweil praktischen Problemen. Denn die Solvenz eines Vorstandsmitgliedes oder das Eingreifen einer D& O -Versicherung kann der Aufsichtsrat nur schwer beantworten. Es erfolgt in der Hinsicht, eine auf die dem Aufsichtsrat vorliegenden Informationen gestützte Prognosentscheidung.
Auf zweiter Stufe erfolgt dann eine Abwägung, ob nicht ausnahmsweise von einer Anspruchsverfolgung abgesehen wird. Denn der Aufsichtsrat hat die Verpflichtung stets im Unternehmensinteresse zu handeln, sodass in gewissen Konstellationen, wenn Interessen und Belange der Gesellschaft entgegenstehen, ein Unterbleiben der Anspruchsverfolgung geboten sein kann. Die Entscheidung hat der Aufsichtsrat letztendlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen.
Anhaltspunkte für das Vorliegen von Sorgfaltspflichtverletzungen können sich z.B. aus dem Inhalt der Regelberichte, den mündlichen Erörterungen in der Sitzung, Hinweisen des Wirtschaftsprüfers, Aussagen des Lageberichts, Anmerkungen von Mitarbeitern der Gesellschaft, aber auch aus öffentlich bekannten Tatsachen oder privaten Hinweisen von dritter Seite ergeben.
In Bezug auf die Ermittlungspflicht ist nicht der Maßstab der StPO anzulegen und ein hinreichender Tatverdacht nach § 203 i.V.m. 170 Abs. 1 StPO zu fordern. Es bedarf lediglich eines sogenannten Anfangsverdachts, d.h. eine gewisse, wenn auch noch geringe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines entsprechenden Pflichtverstoßes. Diese Wahrscheinlichkeit soll bei plausiblen Informationen eines glaubwürdigen Dritten gegeben sein. Vermutungen an sich reichen allerdings nicht aus, es sei denn, dass bereits die als wahr unterstellte Vermutung, geeignet ist, der Gesellschaft gravierende nachteilige Folgen zu zufügen.
Der konkrete Prüfungsumfang einer Schadensersatzpflicht ist eine Frage des Einzelfalls. Die Beantwortung der Frage hängt insbesondere vom Gewicht des potentiellen Fehlverhaltens und den Folgen für die Gesellschaft ab.
Sollte einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern Schadenersatz begründende Umstände bekannt werden, so ist umgehend der gesamte Aufsichtsrat zu informieren. Darüber hinaus kann sich der Aufsichtsrat zur Ermittlung der Schadensersatz begründenden Umstände eines Aufsichtsratsausschussen, sog. litigation committee bedienen. Bei der Organisation und Koordinierung der Überprüfung etwaiger Schadensersatzansprüche kommen dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates eine herausgehobene Funktion zu.
Seiner Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung kann der AR nur gerecht werden, wenn er bezüglich seiner Berichts- und Einsichtsrechten, über ein entsprechendes Informationsniveau verfügt, dass ihm die Beurteilung der Sachlage ermöglicht. Der Vorstand ist daher nicht nur verpflichtet, das Einsichts- und Prüfungsrecht des Aufsichtsrates zu dulden, sondern er muss vielmehr diesem die Durchführung seines Auftrages ermöglichen und erleichtern.
Bei der Wahl des Mittels, also dem wie der Pflichterfüllung, steht dem Aufsichtsrat grundsätzlich ein Ermessen zu. Dieses unterliegt allerdings seiner Verpflichtung stets im Unternehmensinteresse zu handeln. Daher ist die Wahl an dem jeweiligen Verdachtsgrad und den eventuellen Folgen für die Gesellschaft auszurichten.
Zulässiges Mittel kraft Gesetz sind neben der persönlichen Befragung der betroffenen Vorstandsmitglieder, die Berichte des Vorstands an den Aufsichtsrat und die vom Abschlussprüfer der Gesellschaft geprüften Jahresabschlüsse nebst Konzernabschlüssen sowie den dazu gehörigen Berichten des Abschlussprüfers gemäß §§ 316 ff. HGB.
Sofern sich durch die gesetzlich zulässigen Mittel ein konkreter Verdachtsmoment nicht ausschließen lässt, sind weitere Prüfungsmaßnahmen vorzunehmen. Denkbar sind Maßnahmen wie z.B. die persönliche Befragung des Abschlussprüfers oder von Mitarbeitern. Auch die Hinzuziehung (externer) Berater ist denkbar. § 111 Abs. 2 AktG bietet dafür die Rechtsgrundlage. Dies resultiert daraus, dass dem Aufsichtsrat die Möglichkeit gegeben sein muss, sich gerade bei komplexen und unklaren Sachverhalten zur optimalen Erfüllung seiner Aufgabe besonderer Sachverständiger zu bedienen.
Dabei ist eine restriktive und diskrete Vorgehensweise gefragt um die Vertrauensbasis zum Vorstand weitgehend zu erhalten. Diese Maßnahmen verstehen sich als Sonderuntersuchungen, interne Ermittlungen oder auch Internal Investigations genannt. Sie erfordern einen entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss.